Ein Eisbär in der Arktis. Beide liegen China am Herzen. Chinas Vizeaußenminister Kong Xuanyou sagte jüngst, dass sich die Volksrepublik als "Anteilshaber" ("stakeholder") an der Arktis versteht. Als vom Klimawandel betroffener Staat werde sie sich dem Schutz der Polarmeere widmen.

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Peking – 2013 brachte die Wende für Chinas Anspruch, eine weltumspannende Rolle zu spielen. Der in jenem Jahr neugewählte Präsident Xi Jinping enthüllte beim Staatsbesuch in Astana (Kasachstan) seine ehrgeizige Strategie für eine transeurasische Initiative, die von der Volksrepublik ausgehen würde.

Peking wolle gemeinsam mit allen Anrainerländern entlang seiner alten Seidenstraße ein Netzwerk für Handel und Infrastruktur flechten – vom Pazifischen Ozean bis zum Baltischen Meer. Xi dachte noch globaler. 2013 trat China als eines von sechs Beobachterländern ohne Abstimmungsrecht dem Arktischen Rat bei. Denn seine Landmassen grenzen – anders als bei den acht Staaten, die 1996 den Arktischen Rat gegründet hatten – nirgendwo an das Polarmeer.

Neben Russland und den USA sind das Kanada, Finnland, Island, Norwegen, Schweden, Dänemark und das dazu gehörende Grönland. China verpflichtet sich als Beobachter, ihre Souveränität über acht Millionen Quadratkilometer arktisches Territorium anzuerkennen. Aber es meldete unter Berufung auf die UN-Seerechtskonvention seinen Anspruch auf das zwölf Millionen Quadratkilometer weite Polarmeer an.

Neue Seerouten

Fünf Jahre später erklärt China, was das zu bedeuten hat. Nun erschien das erste Weißbuch zur arktischen Politik. Vizeaußenminister Kong Xuanyou sagte bei der Vorstellung des 20-Seiten-Papiers, dass sich die Volksrepublik als "Anteilshaber" ("stakeholder") an der Arktis versteht. Als vom Klimawandel betroffener Staat werde sie sich dem Schutz der Polarmeere widmen, zumal diese, wie Chinas Wissenschafter annehmen, "bis Mitte des 21. Jahrhundert weitgehend eisfrei sein werden".

China wolle sich auch an der Erschließung der arktischen Rohstoffe beteiligen, an der Förderung der "sauberen Energieressourcen" und der Ausbeute neuer Fischgründe. Es engagiere sich schon lange mit einer Vielzahl von Expeditionen und eigenen Forschungsstationen in der eisigen Region.

Zentraler neuer Begriff im Weißbuch ist Pekings Absicht, die Arktis zu seiner "polaren Seidenstraße" zu machen. Neue Seerouten sollen Chinas Schifffahrt von der Abhängigkeit traditioneller Handelswege befreien. Zugleich könnten sie die bisherigen Seerouten nach Europa um fast 4000 Kilometer verkürzen. Die Nachrichtenagentur Xinhua verdeutlichte die Botschaft des Weißbuchs: In der Arktis soll "mit konkreten Schritten" der Bau einer maritimen Wirtschaftspassage zwischen China und Europa gefördert werden sowie "die digitale Konnektivität mit den arktischen Staaten und der Aufbau eines globalen Infrastrukturnetzwerks".

Besonders interessiert zeigt sich China an den Bodenschätzen im Meer. Kein Wunder: US-Geologen erkundeten 2008, dass sich bis zu 30 Prozent der bekannten Erdgasreserven und 13 Prozent des Öls unter dem Eis verbergen. Aktuelle Schätzungen veranschlagen ihren Wert auf mehr als 30 Billionen Euro.

Feste Umarmung

Das Weißbuch lässt aber wichtige Fragen offen, darunter jene betreffend die Kooperation zwischen der Volksrepublik und dem unter Sanktionen stehenden Russland, um neue Gasquellen in der Arktis zu fördern. Auch Chinas militärische Präsenz wird übergangen. Chinas Umarmung der Arktis ist Teil von Xis Masterplan, um seine nach Europa führenden Seidenstraßeninitiativen nach fünf Jahren im Amt global auszuweiten. 2017 verabredete er dazu in Gesprächen mit der russischen Führung die Zusammenarbeit für eine "Seidenstraße über Eis, die durch den arktischen Ozean führen soll", sagte Vizeaußenminister Kong. Im Weißbuch heißt sie die "polare Seidenstraße".

In der Arktis investiert China gigantische Summen, um als Nichtarktisstaat Fuß fassen zu können. Das Washingtoner Center for Naval Analysis rechnete den Wert chinesischer Projektinvestitionen in Infrastruktur, Energieförderung und Finanzkooperationen in allen acht Arktisstaaten zwischen 2005 und Juni 2017 auf mehr als 89 Milliarden US-Dollar hoch. China sei zum größten Investor vor allem in Kleinstaaten wie Grönland oder Island geworden und mache diese von sich abhängig.

Es stört die Volksrepublik, die ihre territorialen Ansprüche im Südchinesischen Meer vehement gegen alle "Eindringlinge" verteidigt, nicht, dass sie selbst kein Anrainerstaat des arktischen Meeres ist. Sie nennt sich "arktisnaher Staat" und leitet daraus alle Rechte ab – auch für den Bau einer "neue Seidenstraße über das Eis der Arktis". (Johnny Erling, 30.1.2018)