Graz/ Wien – Es bleibt, wie es ist: Jedes Bundesland kocht seine eigene Suppe. Jetzt hat auch der neue Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig nach seiner Wahl umgehend angekündigt, die Mindestsicherung für Wien "evaluieren" zu wollen. Somit bleibt der dringende Appell der Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker nach einer österreichweiten Harmonisierung der Mindestsicherung ganz offensichtlich weiter ungehört.

Kraker hatte zuletzt im Gespräch mit dem Standard kritisch angemerkt, dass sich der Bund aus der Mindestsicherungsdebatte ausgeklinkt und die Verantwortung an die Länder delegiert habe. "Es braucht eine langfristige Lösung, die sozial gerecht ist. Man darf nicht ein Bundesland gegen das andere ausspielen. Wir brauchen eine Entscheidung, alles andere ist ein Versagen der Politik."

Der Zeitpunkt für eine österreichweit akkordierte Mindestsicherung schiene jedenfalls günstig. Der Finanzierungsdruck lässt messbar nach. In Wien wurde im vierten Quartal 2017 erstmals wieder seit 2015 ein kontinuierlicher Rückgang der Zahl der Bezieher verbucht. Und auch in der Steiermark sind die Kosten für die Mindestsicherung weiter gesunken. Dies sogar im Vergleich zum Gesamtjahr 2016.

Aufgrund der guten Konjunktur und der letztlich daraus resultierenden gestiegenen Einkommen notierte man im Bundesland rund 2000 weniger Mindestsicherungsbezieher – in Summe benötigten 18.000 Bedürftige die Sozialhilfe.

Ähnliche Trends sind wohl auch in den anderen Bundesländern – nicht zuletzt wegen der guten Wirtschaftsentwicklung – zu erwarten.

Sanktionen

Statt der bisher üblichen Nachbedeckungen werde das Budget für die Mindestsicherung in der Steiermark jedenfalls "voraussichtlich um zwei bis drei Millionen Euro unterschritten werden", sagte Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) am Montag im Rahmen der Präsentation der Sozialbilanzzahlen.

ORF

Die Steiermark hat 2016 das Mindestsicherungssystem umgestellt. Zwar wurden hier im Gegensatz etwa zu Oberösterreich, Niederösterreich oder dem Burgenland die Leistungen nicht gekürzt oder gedeckelt, sondern teilweise in Sachleistungen umgewandelt. Das Land überweist zum Beispiel Zahlungen direkt an die Energieversorger oder Vermieter. Der Rest wird bar ausgezahlt. Überdies sieht auch die steirische Praxis Sanktionen vor, sollten bestimmte Leistungen nicht erfüllt werden.

Bei anerkannten Flüchtlingen ist der Bezug der Mindesthilfe von der Absolvierung von Deutsch- und Wertekursen abhängig. Eine ähnliche Regelung ist ebenso in Oberösterreich, Niederösterreich, Burgenland, Tirol oder Vorarlberg festgeschrieben. Auch in Wien wird die Bereitschaft, eine Beschäftigung anzunehmen oder Kurse zu besuchen, als Kriterium überlegt. "Missbrauch wird streng geahndet", sagte Kampus. In Einzelfällen sei auch die komplette Mindestsicherung als Sanktion gestrichen worden. In Summe seien im Vorjahr 1043 Sanktionen ausgesprochen worden, vor allem wegen der Weigerung, sich beim Arbeitsmarktservice (AMS) als arbeitslos vormerken zu lassen. Kampus beeilte sich aber zu unterstreichen, dass es ein Irrtum sei, die Mindestsicherung mit "Sozialschmarotzertum" in Verbindung zu bringen. Der Großteil der Bezieher seien Pensionisten, denen Beitragsjahre fehlen, oder jahrelang arbeitende Menschen, die – mit Mitte 50 – ihren Job verloren haben. "Niemand geht freiwillig in diese Situation", sagte Kampus.

Der Höchstbezug für Alleinstehende beträgt im Bundesland 863 Euro. In etwa der Bundesschnitt. "Es ist für die Betroffenen bei Gott nicht lustig, ihr Leben an der Armutsgrenze fristen zu müssen und dafür auch noch beschimpft zu werden", sagte Kampus. 70 Prozent der Familien, die in der Steiermark Mindestsicherung benötigen, kommen aus Österreich. (Walter Müller, 30.1.2018)