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Da die Ackerschmalwand teilweise unter Wasser gedeiht, ist sie mitunter Stressfaktoren wie Sauerstoffmangel ausgesetzt. Um potenzielle Gefahren rechtzeitig zu erkennen, verfügt sie über verschiedenste Sensoren, deren Funktion nun genauer erforscht worden ist.

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Wien – Die Hobbygärtner erfreut es meist nicht: Wenn im Frühling wieder das Grün aus den Böden sprießt, ist darunter oft auch ein unscheinbares Gewächs mit dem botanischen Namen Arabidopsis thaliana – zu Deutsch Ackerschmalwand. Die kleinen Pflanzen sind Verwandte des Kohls und als Salatzutat durchaus genießbar, doch die meisten Zeitgenossen sehen in ihnen nur Unkraut.

Ganz anders dagegen die Biologen: Für sie ist A. thaliana ein wichtiger Modellorganismus. Das Ackerschmalwand-Erbgut umfasst lediglich fünf Chromosomenpaare, und der gesamte Lebenszyklus von der Keimung bis zur Saatreifung dauert im Normalfall nur sechs Wochen – ideale Voraussetzungen für die Erforschung fundamentaler pflanzenphysiologischer Prozesse.

Youssef Belkhadir, Wissenschafter am Wiener Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie, ist bestens mit der Ackerschmalwand vertraut und interessiert sich vor allem für eine bestimmte Gruppe von Eiweißkonstrukten, die sogenannten Rezeptorkinasen, kurz RK. Diese langgestreckten Proteingebilde sind häufig in der Zellmembran anzutreffen, wo sie als wichtige Sensoren dem Kontakt mit der Umwelt dienen. Im Vergleich zu Tieren verfügen Pflanzenzellen über besonders viele Rezeptorkinasen, sagt Belkhadir.

Die Gründe dafür dürften zweierlei sein: Zum einen leben Pflanzen festgewachsen an einer Stelle, wodurch sie widrigen Bedingungen nicht ausweichen können und zweitens verfügen sie nicht über ein Immunsystem. Die einzelnen Zellen, meint Belkhadir, brauchen deshalb ein Höchstmaß an Selbstständigkeit. Die zahlreichen Sensoren versorgen sie mit der dafür erforderlichen Information. "Reis zum Beispiel hat rund 1200 verschiedene Typen von Rezeptorkinasen." Da die Pflanzen teilweise unter Wasser gedeihen, sind sie vielen Stressfaktoren wie Sauerstoffmangel oder chemischen Belastungen ausgesetzt. Jeder dieser potenziell negativen Einflüsse muss rechtzeitig erkannt werden.

Die RK liegen eingebettet in der Zellmembran, ein Teil von ihnen reicht bis in die äußere Zellwand hinein. "Diese extrazellulären Domänen sind praktisch die Radaranlagen", sagt Youssef Belkhadir. Ihre genaue Funktionsweise wirft in der Forschung allerdings noch viele Fragen auf. Die allermeisten Rezeptorenkinasen indes gehören zur Gruppe der LRR-RK, deren Außenantennen mit Leucin angereichert sind. A. thaliana verfügt über 225 unterschiedliche LRR-RK-Varianten.

Auf den Zelloberflächen bilden solche Einheiten typische Cluster, wie Belkhadir erläutert. Abgesehen davon lassen sich die Sensoren in zwei Gruppen unterteilen – solche mit langen und andere mit kurzen extrazellulären Domänen. In der Natur geschieht bekanntlich nichts ohne Hintergrund. Welche Rolle also mag dies alles für das praktische Wirken der Rezeptorkinasen spielen?

Ein internationales Expertenteam unter Youssef Belkhadirs Leitung ist der Sache nachgegangen. Die Forscher stellten künstliche Kopien von 200 Ackerschmalwand-LRR-RK her und prüften, ob und wie diese im Reagenzgefäß miteinander agieren.

Täglicher Überlebenskampf

Dank eines selbstentwickelten, automatisierten Verfahrens konnten sie 40.000 potenzielle Interaktionen testen. In 567 Fällen fand tatsächlich eine spezifische Wechselwirkung statt. Das heißt: Die Außenantennen der LRR-RK fangen nicht nur (biochemische) Signale ein, sie kommunizieren auch mit zumindest einigen ihrer Cluster-Nachbarn.

Die Sensoren bilden Netzwerke, betont Belkhadir. Das Zusammenspiel wiederum steuert vermutlich das weitere Geschehen in der Zelle. Sobald zwei Rezeptoren über ihre Außendomänen miteinander in Kontakt treten, nähern sich wohl auch ihre innenliegenden Teile an. Dies ermöglicht offenbar eine wechselseitige Enzymreaktion, die zur Freisetzung von Botenstoffen führt. Letztere leiten schließlich die gewünschten Stoffwechselprozesse ein.

Ein detaillierter Bericht über die zum Teil von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) finanzierte Studie wurde kürzlich im Fachmagazin Nature (Bd. 553, S. 342) veröffentlicht. Welche Bedeutung die LRR-RK für den täglichen Überlebenskampf von Pflanzen haben, zeigt sich unter anderem beim Rezeptorprotein FSL2. Es reagiert spezifisch auf flg22, ein fremdes Peptid. flg22 wird von bakteriellen Krankheitserregern wie Pseudomonas syringae freigesetzt und ist somit ein eindeutiges Warnsignal – Achtung, Infektion!

Sensoren verfeinern

Sobald FSL2 mit dem Peptid in Kontakt kommt, treten weitere RK hinzu und lösen gemeinsam die Produktion von aggressiven Kampfstoffen aus. Gleichzeitig wird das Wachstum eingestellt. Alle Ressourcen müssen der Abwehr zur Verfügung stehen, erklärt Youssef Belkhadir. Diese extreme Immunreaktion kann für die Pflanze allerdings fatale Folgen haben, ähnlich wie ein septischer Schock bei Menschen.

Belkhadir und seine Kollegen werden die LRR-RK-Netzwerke weiter unter die Lupe nehmen. "Das System entwickelt sich", sagt der Forscher. Die Evolution steht schließlich nicht still. Die Pflanzen verfeinern ihre Sensoren stetig, diese reagieren immer präziser auf unterschiedliche Signale. Es scheint zudem zu einer Rollenverteilung zwischen den RK mit langen Außenantennen und jenen mit kurzen extrazellulären Domänen gekommen zu sein. Während Erstere die Botenstoffe einfangen dürften, könnten ihre kleinen Vettern als Koordinatoren bei der Cluster-Bildung fungieren.

Das Kartieren der Netzwerke birgt auch für die Landwirtschaft interessante Perspektiven, meint Belkhadir. Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen würde neue Einblicke in die Resistenzfähigkeit von Nutzpflanzen gegen Schädlinge oder die Folgen des Klimawandels ermöglichen – Optimierungspotenziale inklusive. (Kurt de Swaaf, 3.2.2018)