Es gibt Politiker, die beherrschen die schwierige Disziplin 180-Grad-Wende perfekt. Man erinnere sich an Angela Merkels Atompolitik: Zuerst wollte sie die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke, nach Fukushima hieß es plötzlich: Atomkraft, nein danke.

Hilfen für Griechenland: zuerst nein, dann ja. Ehe für alle: Der Weg von "unvorstellbar" zu "na gut, dann macht halt" ließ sich für Merkel auch gut bewerkstelligen.

Weniger Fortune hat SPD-Chef Martin Schulz. Jeden Tag muss er frustrierten Genossen aufs Neue erklären, warum er nach seinem strikten Nein am Wahlabend jetzt doch für Schwarz-Rot kämpft. Viele verstehen es nicht, kritisieren Wortbruch und beklagen Glaubwürdigkeitsverlust.

Für sie könnte es – wenn die Groko steht und Schulz tatsächlich als Minister in Merkels Kabinett geht – noch schmerzhafter werden. Denn Schulz hat ein gegenteiliges Versprechen gegeben. Sollte er an Merkels Seite Platz nehmen, dürfte er kaum auf mildernde Umstände hoffen.

Es wäre ein Wortbruch, den nur er allein zu verantworten hat. Schulz im Kabinett – das röche nach Postengier und zöge unangenehme Fragen nach sich: Hat die SPD nicht genug fähiges Personal? Braucht Schulz nicht besser all seine Kraft für die Erneuerung der SPD?

Aber wenn es denn sein muss, dann gäbe es vielleicht ja noch eine andere Lösung: Der Minister Schulz gibt den Parteivorsitz ab. Andrea Nahles übernimmt sicher gern. (Birgit Baumann, 30.1.2018)