15. Mai 2017: Anwalt Robert Tibbo (rechts) mit seinen Klienten in Honkong, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt wurde.

Hongkong/Innsbruck – Die Lage der sieben sogenannten Snowden-Flüchtlinge in Hongkong spitzt sich zu. Als Whistleblower Edward Snowden 2013 die NSA-Affäre lostrat und damit zum meistgesuchten Mann der Welt avancierte, fand er Unterschlupf bei den vier Erwachsenen und drei Kindern. Dass er in diesem Versteck nicht entdeckt wurde, liegt daran, dass seine Fluchthelfer selbst seit 2003 als Flüchtlinge in Hongkong leben. Niemand hatte ihn dort vermutet. Doch während der Whistleblower alsbald nach Russland weiterreisen konnte, mussten seine Helfer bleiben. Und seitdem machen ihnen die Behörden das Leben schwer.

Hongkong ist eine der reichsten Städte der Welt, doch Flüchtlinge fristen dort ein Pariadasein. Dabei fußt der heutige Reichtum der Metropole vornehmlich auf der Leistung von Zuwanderern und Flüchtlingen, die seit 1945 aus dem einstigen 600.000-Einwohner-Ort eine prosperierende Millionenstadt gemacht haben.

Jahrelange Asylverfahren

Die UN-Flüchtlingskonvention hat Hongkong nie ratifiziert. Die Anerkennungsrate von Flüchtlingen liegt aktuell bei 0,6 Prozent, Tendenz sinkend. Wer in Hongkong um Asyl ansucht, muss sich auf ein jahrelanges Verfahren einstellen. In dieser Zeit dürfen die Menschen weder arbeiten, hoch haben ihre Kinder Zugang zum Bildungssystem. Die Behörde gewährt nur eine humanitäre Unterstützung von 3000 Hongkong-Dollar monatlich, das sind rund 300 Euro. In der 2016 laut Beratungsunternehmen Mercer teuersten Stadt der Welt zu wenig, um über die Runden zu kommen.

Für die Snowden-Flüchtlinge ist die Situation besonders prekär. Seit 2016 bekannt wurde, dass sie den Aufdecker versteckt haben, will Hongkong sie loswerden. Bislang konnte das nur durch ihr kanadisches Anwaltsteam verhindert werden. Die Asylgesuche der sieben wurden im Mai des Vorjahres abgewiesen. Seitdem droht ihnen alle vier Wochen, wenn sie sich bei der Behörde melden müssen, die Abschiebung.

"Man will mir die Zulassung aberkennen"

Robert Tibbo, jener kanadische Anwalt, der Snowden bei den Flüchtlingen versteckt hatte, will die sieben vor diesem Schicksal bewahren. Mit dem Ergebnis, dass die Behörden in Hongkong nun versuchen, auch ihn loszuwerden: "Man will mir die Zulassung als Anwalt aberkennen und hindert mich aktiv daran, meinen Job auszuüben." Aufgeben will er aber nicht: "Meine Klienten sind in einer verzweifelten Lage. 2018 wird für sie das Schicksalsjahr."

Hongkong wird die sieben im Lauf des Jahres abschieben, ist Tibbo überzeugt. Die größte Hoffnung, in Kanada Asyl für die Filipina mit ihrer Tochter und die sri-lankischen Familien zu erhalten, hat sich zerschlagen. Zwar sicherte der kanadische Einwanderungsminister Ahmed Hussen erst eine schnelle Bearbeitung der Fälle zu, doch Mitte 2017 schwenkte er plötzlich um. Alle Fälle würden fair und gleichwertig behandelt, hieß es nun. Das würde 52 Monate Wartezeit bedeuten. "Bis dahin ist es zu spät", sagt Tibbo.

Politischer Druck vermutet

Die Anwälte vermuten im Hintergrund politischen Druck. Von wem, könne sich jeder selbst ausrechnen, sagen sie. Wie grotesk die Situation ist, zeigt das Verhalten der Behörden. In Hongkong wurden die Flüchtlinge wiederholt von der Polizei einvernommen und zu Snowdens Aufenthalt befragt. Doch sie weigerten sich, etwas preiszugeben. Auf der anderen Seite behauptet die Einwanderungsbehörde, dass sie nie Snowden versteckt haben. Mehr noch, dort heißt es offiziell, der Whistleblower sei nie in Hongkong gewesen. Tibbo und seine Klienten würden lügen, so die Behörde.

Die Anwälte hoffen trotzdem weiter: "Wenn Kanada ihnen Asyl gewährt, würde das den Staat keinen Cent kosten. Alles, von der Wohnung bis zur Schule, ist vorbereitet und durch Spenden gedeckt." (Steffen Arora, 1.2.2018)