Aidarous al-Zubaidi: Dass ihn Hadi im Mai als Gouverneur abberief, empörte die Südjemeniten.

Foto: AFP/Al-Obeidi

Frage: Die jemenitische Hauptstadt Sanaa befindet sich in der Hand der Huthi-Rebellen, gegen die die saudische Militärallianz Krieg führt. Warum wird aber nun plötzlich in der südlichen Stadt Aden gekämpft? Gibt es dort auch noch – oder schon wieder – Huthis?

Antwort: Nein, die neu entbrannten Kämpfe in Aden haben nichts mit den Huthis zu tun. Es ist ein Konflikt innerhalb der Allianz, die die Huthis bekämpft. Die Huthis hatten aus dem Norden kommend nach Sanaa (September 2014) im März 2015 zwar auch Aden eingenommen, wurden jedoch von dort schon im Sommer 2015 wieder vertrieben. Seither ist ein Teil der international anerkannten Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi in Aden angesiedelt – nach Sanaa kann sie ja nicht. Ihre Regierungsgebäude und ein Teil Adens wurden jedoch in den vergangenen Tagen von südlichen Separatisten eingenommen. Diese hatten zuvor zur Allianz gegen die Huthis gehört.

Frage: Südliche Separatisten, also Kräfte, die den Süden abspalten wollen: Sind die neu?

Antwort: Nein, überhaupt nicht. In der Geschichte des Jemen gab es lange Zeit zwei Staaten, im Nordwesten und im Südosten, mit wechselnden Namen, zuletzt Jemenitische Arabische Republik (Nordjemen) und Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen). 1990 wurden die beiden Teile als Republik Jemen vereint, bereits 1994 versuchte sich der Süden mit der Hauptstadt Aden jedoch wieder loszulösen. Es kam zu einem Bürgerkrieg, in dem die Separatisten unterlagen. Ihren Wunsch nach einem unabhängigen "Südarabien" haben sie jedoch nicht aufgegeben. 2007 wurde "Hirak" als neue südliche Unabhängigkeitsbewegung gegründet, die in den Jahren vor dem Arabischen Frühling 2011 sehr aktiv war.

Frage: Dennoch haben sie – die Rebellen des Südens – 2015 gegen die Huthis – die Rebellen des Nordens – gekämpft: für die Wiedereinsetzung des saudisch unterstützten Präsidenten Hadi, der ja über ganz Jemen regieren will?

Antwort: Ja, das war eine Abwägung der Übel – in Erwartung, dass ihre Rolle honoriert wird. Die Politik Hadis hat die südlichen Separatisten jedoch zuletzt wieder gegen die Regierung aufgebracht.

Frage: Was hat er getan?

Antwort: Hadi versuchte "seine" Leute in wichtige Positionen (auch) in Aden im Süden zu setzen. Und Hadis Hausmacht, aus der er sein Personal oft nimmt, ist die Islah-Partei, die von den Südjemeniten als eine rein nördliche Partei wahrgenommen wird. Hadi hat Aidarous al-Zubaidi, einen beliebten südlichen Politiker und Armeeführer, der sich 2015 gegen die Huthis verdient gemacht hat und mit dem Gouverneursposten in Aden belohnt wurde, im Mai 2017 abgesetzt. Zubaidi hat daraufhin den Südlichen Übergangsrat (STC) gegründet, der auch einen bewaffneten Arm hat, die Security Belt Forces. Sie kämpfen seit dem Wochenende gegen die Hadi-loyalen Kräfte in Aden. Spannungen und Scharmützel gab es schon zuvor, aber diesmal sind es echte Kämpfe.

Frage: Wenn die Hadi-Kräfte von den Saudis und ihrer Allianz gestützt werden, sollten sie doch relativ schnell mit der Situation fertig werden?

Antwort: Es gibt eine zusätzliche Komplikation. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), das zweitwichtigste Land nach Saudi-Arabien in der Anti-Huthi-Koalition, die südlichen Separatisten unterstützen. Es heißt, dass die VAE ihnen sogar jetzt Waffen liefern.

Frage: Und was sagt Saudi-Arabien, die Schutzmacht Hadis, dazu?

Antwort: Die Saudis versuchten, bei Spannungen stets zu vermitteln, und zuvor ist ihnen das auch immer leidlich gelungen.

Frage: Und warum unterstützten die Vereinigten Arabischen Emirate die südlichen Separatisten überhaupt?

Antwort: Erstens sind auch sie verärgert, dass sich Hadi so auf die Islah-Partei stützt. Die Islah ist der jemenitische Arm der Muslimbruderschaft, und die VAE sind noch mehr gegen die Muslimbrüder als die Saudis. Allerdings wird den VAE vorgeworfen, sich vor lauter Muslimbrüder-Aversion im Südjemen nicht klar genug von salafistischen Jihadisten – zu denen ja auch Al-Kaida und der "Islamische Staat" gehören – abzugrenzen. Aber dieser Vorwurf kommt vor allem von Islah-Seite.

Frage: Aber warum versuchen die VAE nicht, im Einklang mit Saudi-Arabien Hadi auszutauschen, sondern spielen mit einer Spaltung des Jemen? Was hätten sie davon?

Antwort: Die VAE hätten einen von ihnen abhängigen südjemenitischen Staat – mit einer wichtigen Hafenstadt als Hauptstadt, Aden, vor dem Eingang zum Roten Meer und einer langen Küste am Golf von Aden. Die VAE suchen zuletzt, sich strategisch stark in der Region zu positionieren. Sie haben auch Militärstützpunkte in Somaliland und in Eritrea.

Frage: Und warum das?

Antwort: Das hat nicht zuletzt mit dem großen hegemonialen Ringen zwischen dem Iran einerseits und Saudi-Arabien und seinen Partnern – wie die VAE – andererseits zu tun. Das ist auch der Grund, warum Saudi-Arabien und die VAE ihre Differenzen im Jemen nicht auf die Spitze treiben werden. Der Iran unterstützt ja auch die Huthis (die zu einer Sondergruppe der Schia gehören).

Frage: Und wie geht es im Konflikt mit den Huthis weiter?

Antwort: Auch hier gab es dramatische Veränderungen: An der Seite der Huthis kämpfte ja der Präsident Jemens von 1978 bis 2012, Ali Abdullah Saleh, der noch immer Einfluss in Teilen der Armee hatte. Auch diese Allianz zerbrach, Saleh wurde im Dezember von den Huthis getötet. Einige seiner Kräfte dürften zu Hadi übergelaufen sein. Dennoch gelingt es auch drei Jahre nach der Intervention Saudi-Arabiens trotz eines grausamen Bombenkriegs nicht, die Huthis in Sanaa zu schlagen.

Frage: Jahrelanger Krieg in einem bitterarmen Land ...

Antwort: Es ist eine humanitäre Katastrophe: Die Menschen sterben nicht nur durch Gewalt, sondern an Unterernährung und Krankheiten, laut Uno sind fast 18 Millionen von Hunger bedroht. (Gudrun Harrer, 1.2.2018)