Salt Lake City / Wien – Freitagmorgen beginnt im Süden des US-Bundesstaats Utah eine neue Zeitrechnung. Am 4. Dezember hatte Präsident Donald Trump jenen Beschluss unterzeichnet, der großen Teilen der zwei Naturdenkmäler Grand Staircase-Escalante und Bears Ears den Schutz aberkennt. Nachdem eine Frist von 60 Tagen abgelaufen ist, dürfen nun Bergbauunternehmen offiziell Claims abstecken. Das funktioniert heute noch genau so, wie es in den Pionierzeiten des Wilden Westens gehandhabt wurde: Ein Gebiet wird mit Pfosten abgesteckt und der Claim angemeldet, wie es im General Mining Act von 1872 geregelt ist. Die zu leistenden Gebühren sind vernachlässigbar: Sie wurden nie erhöht. Versuche, das Gesetz an moderne Verhältnisse anzupassen, scheiterten. Kritiker befürchten nun dramatische Folgen für die Umwelt und wissenschaftlich bedeutende Ausgrabungsstätten.
Gestutzte Bärenohren
Trump argumentierte seinen Schritt damit, dass seine Vorgänger die Schutzgebiete nicht auf Basis des Gesetzes eingerichtet hätten. National Monuments werden vom US-Präsidenten ernannt – im Gegensatz zu Nationalparks, die der Zustimmung des Kongresses bedürfen. Die rechtliche Grundlage hierzu ist ebenfalls in einem über hundert Jahre alten Gesetz geregelt. Der Antiquities Act von 1906 war von Theodore Roosevelt erlassen worden, der gleich 18 derartige Schutzgebiete einführte. Seither ernannten fast alle US-Präsidenten neue National Monuments, bis auf Richard Nixon, Ronald Reagan und George H. W. Bush. 1996 hatte Bill Clinton Grand Staircase-Escalante zum National Monument gemacht, 2016 folgte Barack Obama mit Bears Ears – zu groß, wie Trump befand. Das Gesetz schreibe vor, dass die Gebiete nicht größer als nötig sein dürfen. Die "Große Treppe" verliert nun fast die Hälfte der bisherigen 7.689 Quadratkilometer und wird in drei Teile geteilt, die "Bärenohren" schrumpfen gar um mehr als 85 Prozent ihrer 5.470 Quadratkilometer.
Gegen Trumps Entscheidung wurden mittlerweile mehrere Klagen eingereicht, das Spektrum der Beschwerdeführer reicht von Ureinwohnern wie Hopis, Navajos und Utes über Umweltschützer und Archäologen bis hin zu Paläontologen. Gerade Letztere haben in den Schutzgebieten ein wahres Eldorado entdeckt.
Das Gebiet war nicht immer so wie heute von unwirtlichen trockenen Badlands gekennzeichnet. In der Kreidezeit erstreckten sich hier ausgedehnte sumpfige Küstengebiete an einem flachen Meer, dem Western Interior Seaway.
Dieser Meeresarm teilte Nordamerika in die Kontinente Laramidia und Appalachia. Einst lebten hier Herden von Horndinosauriern wie Utahceratops, Diabloceratops und Nasutoceratops neben riesigen Hadrosauriern und Tyrannosauriern wie Teratophoneus und Lythronax. Hier wurde mit Paranyctoides eines der ältesten Plazentatiere gefunden, ebenso Krokodile, Schildkröten, Eidechsen, Vögel, Frösche und viele andere Tiere. Die Wälder hinterließen reiche Kohlevorkommen, Schätzungen zufolge liegen 62 Milliarden Tonnen im Boden.
Die Forscher lesen die Gesteinsschichten wie ein Buch, und hier umfasst die Geschichte Kapitel aus einer Zeit von vor 320 Millionen Jahren im Erdaltertum praktisch durchgehend bis in die Neuzeit – eine einzigartige Ansammlung an Einblicken in zum Teil komplette Ökosysteme längst vergangener Tage. Alleine in Grand Staircase-Escalante wurden seit der Schaffung des National Monument 25 neue Dinosaurierarten entdeckt.
Doch das Buch könnte Seiten und ganze Kapitel verlieren: Die Society of Vertebrate Paleontology zeigt auf ihrer Webseite anhand von Karten, welche Schichten von den Schutzgebietreduktionen betroffen sind und durch eine Nutzung durch Bergbau und Weidewirtschaft unwiederbringlich zerstört würden.
Im Mormonenstaat Utah, wo die Dichte an Anhängern des Junge-Erde-Kreationismus besonders hoch ist, fehlt jedoch zahlreichen Einwohnern das Verständnis für die Relevanz des erdgeschichtlichen Erbes. Seit jeher herrschen in Utah große Vorbehalte gegen den staatlichen Einfluss aus Washington – schließlich hatten sich die mormonischen Siedler im 19. Jahrhundert immer weiter nach Westen begeben, um sich dem Einfluss des Bundes zu entziehen. "Gott hat die Kohle aus gutem Grund auf die Erde getan", zitierte die "Los Angeles Times" einen Rancher. (Michael Vosatka, 2.2.2018)