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Ein Istanbuler Strafgericht entließ Taner Kiliç am Mittwoch aus der Untersuchungshaft.

Foto: Amnesty International Turkey via AP

Istanbul/Athen – Im dritten Anlauf hat auch Taner Kiliç Glück. Ein Istanbuler Strafgericht entließ ihn am Mittwoch aus der Untersuchungshaft. Knapp acht Monate war der Leiter von Amnesty International (AI) in der Türkei im Gefängnis. Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation lautet die Anklage, ebenso wie gegen zehn weitere Menschenrechtler, darunter die AI-Direktorin in der Türkei, İdil Eser, und der Deutsche Peter Steudtner. Sie waren im Oktober 2017 aus der Haft gekommen.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen den 48-jährigen Anwalt Kiliç erscheinen schwach für ein Strafverfahren und erst recht für eine Übernahme in die U-Haft. Zum einen wird dem türkischen AI-Chef zur Last gelegt, Konten bei der mittlerweile geschlossenen Bank Asya geführt zu haben; die Bank gehörte zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, den die türkische Regierung für den Putsch im Juli 2016 verantwortlich macht. Kiliç habe ein sogenanntes Beteiligungskonto bei der Bank Asya unterhalten, das weniger Rendite eingebracht habe als die Kosten, die ihm gleichzeitig für einen Kredit bei einer anderen Bank entstanden waren. Das beweise seine kriminellen Absichten, folgerte die Justiz.

Zum anderen soll Kiliç im August 2014 den Kurznachrichtendienst Bylock auf sein Mobiltelefon geladen und dann verwendet haben. Kiliç bestreitet das. Zwei im Auftrag von Amnesty durchgeführte technische Untersuchungen zeigten keine Spuren dieser Anwendung auf dem Telefon. Die Staatsanwaltschaft selbst legte keine Belege vor. Der Instant-Messaging-Dienst soll von Mitgliedern der Gülen-Bewegung zur geheimen Verständigung benutzt worden sein. Ein drittes, am Mittwoch von Amnesty vorgelegtes Gutachten kam zu dem Schluss, dass Kiliçs Telefon zwei unwissentlich installierte Anwendungen hatte, die ihn fälschlicherweise als Bylock-Nutzer auswiesen.

Opfer des "Lila Hirns"

Kiliç wäre damit nicht allein: Etwa 11.500 türkische Bürger sollen unrechtmäßig als Bylock-Verwender bezichtigt worden sein, räumte die Staatsanwaltschaft in Ankara im Dezember ein. Die Beschuldigten verloren in der Regel ihre Arbeit, 300 von ihnen kamen nun nach monatelanger Haft aus dem Gefängnis. Die mysteriöse Anwendung, die den falschen Verdacht auslöste, heißt Mor Beyin ("Lila Hirn"). Sie soll ebenfalls von einem Gülenisten geschrieben worden sein. Regierungssprecher Bekir Bozdağ erklärte am Mittwoch, niemand sitze mehr wegen einer Mor-Beyin-Anwendung im Gefängnis. Nur Stunden später ordnete das Gericht in Istanbul die Freilassung des Amnesty-Chefs Kiliç an. (Markus Bernath, 31.1.2018)