Niki Lauda: "Ich will Frauen nicht reduzieren, sondern bestärken"

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Im Dirndl: Ein "Grid-Girl" beim Grand Prix von Österreich.

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Wien – "Die Frauen emanzipieren sich, sie tun das sehr gut, und Vieles entwickelt sich in die richtige Richtung." Das will Niki Lauda im Gespräch mit dem STANDARD zunächst einmal festgehalten wissen. Dass die Formel 1 in der am 25. März in Melbourne beginnenden WM-Saison auf die sogenannten Grid-Girls – Mädchen mit Startnummerntafeln in der Aufstellung vor Rennbeginn – verzichten will, hält Lauda für einen Schritt in die falsche Richtung. "Das ist eine Entscheidung gegen die Frauen."

Formel-1-Marketingchef Sean Bratches hatte den Beschluss, der auch für Rennen anderer Klassen an Grand-Prix-Wochenenden gilt, wie folgt begründet: "Wir glauben nicht, dass der Brauch passend oder bedeutend für die Formel 1 und ihre bisherigen oder künftigen Fans in aller Welt ist." Lauda (68), der dreimal Weltmeister war (1975, 1977, 1984), später Ferrari beriet und bis Saisonende 2017 als RTL-Experte tätig war, misst dem Brauch sehr wohl Bedeutung bei. "Ich finde es sehr schade, dass mit dieser Tradition gebrochen wird. Damit tut man der Formel 1 und vor allem auch den Frauen keinen Gefallen."

"Wie dumm kann man sein?" "Haben die einen Vogel?" "Wo führt das noch hin?" Diese Fragen würde Lauda den Formel-1-Verantwortlichen gerne stellen. Und er präzisiert im Gespräch mit dem STANDARD. Natürlich habe er vereinzelt Kritik vernommen, dass da und dort die Nummern-Girls zu leicht bekleidet gewesen wären. "Aber dann braucht man ihnen doch nur etwas mehr anziehen", sagt Lauda. Und das sei bei etlichen Rennen ja auch schon geschehen, beim Großen Preis von Österreich in Spielberg etwa traten Grid-Girls im Dirndl auf.

Nichts gegen Grid-Boys

In der Formel 1 gehörten die Grid-Girls, die in der Startaufstellung Schilder mit den Fahrernamen oder mit Startnummern hochhielten, seit Jahrzehnten zum Bild. Lauda sagt, er hoffe auf "Möglichkeiten, dass der Beschluss noch rückgängig gemacht wird". Er hätte auch "nichts dagegen, neben den Girls auch Grid-Boys zu sehen. Wieso denn nicht?" Ein diesbezüglicher Versuch wurde vor einigen Jahren schon unternommen, er kam bei den Fahrern allerdings nicht besonders gut an. "Das Auto zu parken und auf den Hintern von einem George oder Dave zu gucken, hat mir nicht gefallen", sagte Sebastian Vettel damals.

Lauda wäre da weniger streng, jedenfalls würde er lieber ab und zu quasi Trachtenpärchen sehen als gar keine Grid-Girls mehr. "Grid-Girls haben immer zur Formel 1 gehört, sie sollten auch weiterhin zur Formel 1 gehören." Die Argumentation, Frauen gehörten runter von der Piste und rauf in die Führungsetagen, hält Lauda für eine "unzulässige Vermengung. Das eine schließt das andere ja nicht aus." Grid-Girls würden nicht andere Frauen davon abhalten, in Führungspositionen zu kommen. Lauda: "Ich will Frauen nicht reduzieren, sondern bestärken."

"Bald kein Cheerleading mehr"

Den aktuellen Formel-1-Beschluss legt der Unternehmer, der mit Laudamotion kürzlich die insolvente Airline Niki übernahm, nicht zuletzt so aus, "dass wieder einmal Männer über die Köpfe von Frauen hinweg entschieden haben". Seine Frage, wo das noch hinführen werde, beantwortet Lauda selbst so: "Wenn man konsequent so weitermacht, gibt es in Amerika bald kein Cheerleading mehr."

Tatsächlich sah sich die Formel 1 zuletzt immer mehr Sexismusvorwürfen ausgesetzt, die der neue Eigentümer Liberty Media vielleicht auch ernster nahm als der alte, Bernie Ecclestone. Schon vor der Formel 1 hatte der Darts-Weltverband mit seiner Tradition der Walk-On-Girls gebrochen. Er reagierte damit auf die Kritik von TV-Anstalten. Fans, Spieler und auch Models hatten sich allerdings verärgert gezeigt. Die Organisation "Women’s Sport Trust" lobte den Abgang der Walk-On-Girls. Sie kommentierte auch den Formel-1-Beschluss via Twitter: "Danke! Eine weitere Sportart entscheidet sich, wofür sie stehen will."

In dem Sinn noch nicht entschieden haben sich etwa der Radsport und das Profiboxen. (Fritz Neumann, 1.2.2018)