Trockentraining für ein Ehepaar, das füreinander nur noch wenig anderes als Überdruss empfindet: Aglaia Szyszkowitz und Devid Striesow, dazwischen coacht Erwin Steinhauer die "Wunderübung".

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Wien – Würde dieses Paar handgreiflich werden, wäre die Sache schnell vorbei. Jeder Wortwechsel birgt eine Eskalation in sich. Ein Satz folgt wie eine Provokation auf die nächste. Er, Valentin (Devid Striesow), ist Deutscher, war untreu, bestimmt unaufmerksam und fühlt sich von den Begehrlichkeiten und Vorwürfen seiner Frau im besten Fall belästigt; diese selbst, Joana (Aglaia Szyszkowitz), hat ihren Frust, die Zurückweisung und Enttäuschung in spitze Patronenhülsen gefüllt, die sie auch abzufeuern versteht. Der Paartherapeut, in Hälfte eins nur "Herr Magister" (Erwin Steinhauer), agiert routiniert, milde emphatisch, bald auch etwas ratlos. Immerhin, "die perfekt eingespielte Streitkultur auf hohem Niveau" nötigt ihm Respekt ab.

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Ob man den Dauerstreit in Michael Kreihsls Die Wunderübung tatsächlich so bewerten muss, darüber kann man auch anderer Meinung sein. Daniel Glattauer, Autor der Theatervorlage, die Kreihsl 2015 schon in den Wiener Kammerspielen inszeniert hat, geht es weniger um pointierte Beziehungsanalyse als um Tempo und Witz. Wenn man oft gehörte Stehsätze von sich auseinandergelebt habenden Paaren befeuert, kommt auch der Sarkasmus des Zuschauers in die Gänge. Klischees haben schließlich Wiedererkennungswert. Allerdings bieten die Dialoge nur wenig Nuancen und Abwechslung. Man schießt und schießt, dann lädt man nach und schießt weiter. Zu Steinhauers Figur als zunehmend verzweifeltem Schiedsrichter, der sich Yoghurt aufs Hemd trenzt, fühlt man sich insofern bald hingezogen.

Westernmanier

Als Film liegt das Szenario schon deshalb nicht nahe, weil es sich praktisch zur Gänze in einem Raum entfalten muss. Kreihsl hat mit Wolfgang Thaler einen der besten heimischen Kameramänner zur Seite, der das Drei-Personen-Geschehen ein wenig nach Westernmanier auffrisiert. Man befindet sich quasi permanent im Duellmodus. Die Breitwandbilder betonen vor allem die uferlose Distanz zwischen den Eheleuten. Werden sie von einer Einstellung voneinander getrennt, wirken sie plötzlich müde und abgeschlagen. Valentin schläft bei einer esoterischen Übung, bei der er sich an etwas Schönes aus der Vergangenheit erinnern soll, dann auch prompt ein.

In der zweiten Hälfte nimmt Die Wunderübung eine Wendung, die nicht ganz so unerwartet kommt, wie es dem Autor vermutlich erschienen ist. Überhaupt läuft dieses Beziehungskarussell so mechanisch ab, dass man die dramaturgischen Lötstellen leicht aufspürt. Der beste Boulevard, und in diese Gattung gehören Stück und Film, birgt auch ein Moment des Wahnsinns in sich, die Möglichkeit, Etikette und Konventionen aufzusprengen. Dieses komische Wunder bleibt leider aus. (Dominik Kamalzadeh, 1.2.2018)