Die Wiener Künstlerin Ona B. wohnt in einer roten Wohnung in der Leopoldstadt. Sie ist Heimat von Erinnerungen und ein Lager voll mit Träumen, Texten und Dingen. Der einzige nichtrote Raum ist das Atelier.

"Ich habe mich auf den heutigen Termin gefreut und extra noch eine Flasche roten Uhudler-Prosecco für euch aufgehoben. Der passt so wunderbar zur Wohnung. Und dann erst der herrliche Geruch von Walderdbeeren! Ich hatte schon viele Farbphasen in meinem Leben. Vor sehr langer Zeit war das Blau, dann Graublau, und eines Tages ist mir plötzlich bewusst geworden, dass alles rot ist. Ich denke, das hängt mit dem Tod meiner Mutter zusammen. Das war ihre Lieblingsfarbe, und indem ich diese Farbe am Leben erhalte, kann ich ihr auf meine Weise für ihre Liebe und Warmherzigkeit danken. Das klingt jetzt furchtbar kitschig, oder? Aber ich denke, so ist es.

"Rot ist für mich eine Farbe des Lebens, sie verkörpert Energie, Freude, Kraft, Ansporn und Wohlbefinden. Und ja, ich fühle mich wohl hier." Ona B. in ihrer Küche.
Foto: Lisi Specht

Rot ist für mich eine Farbe des Lebens, sie verkörpert Energie, Freude, Kraft, Ansporn und Wohlbefinden. Und ja, ich fühle mich wohl hier. Ich verbinde mit dieser Wohnung meine ältesten Kindheitserinnerungen. Das ist die Wohnung meiner Oma. Ich war hier wahnsinnig oft und wahnsinnig gerne zu Besuch. Ich habe die Oma und die Wohnung geliebt. Natürlich habe ich dazwischen immer wieder woanders gewohnt, in WGs im dritten und siebten Bezirk oder in Berlin, aber mental fühlt es sich an, als hätte ich nie woanders gewohnt. Die Wohnung hat 113 m² und liegt in einer wunderschönen Kastanienallee im zweiten Bezirk. In die Innenstadt ist es nicht weit. Ich liebe dieses Wiener Flair. Manchmal, wenn ich nach einer Reise nach Hause komme, mache ich einen Umweg über die Ringstraße, um ein bisschen Wien zu inhalieren.

Wenn man die Wohnung betritt, steht man sofort in der Küche, in meinem Archiv des Kochens und Essens. Auch, wenn es nicht so ausschaut, aber hier muss alles praktisch sein. Ich will nicht stundenlang suchen, ich muss mein tägliches Leben auf einen Blick erfassen können. Das gilt auch für meine Freunde und Freundinnen. Es gibt zwar kaum noch Platz, geschweige denn freie Arbeitsflächen, aber dafür braucht keiner mehr fragen: 'Du, Ona, wo sind denn die Töpfe? Und wo ist das Nudelsieb?'

Fotos: Lisi Specht

Ich kombiniere unterschiedliche Rottöne, aber bei Rot passt eh irgendwie alles zusammen. Und trotzdem ist nicht alles rot hier. Ich habe sogar einen grünen Märchenprinzen in spe, den ich einmal geschenkt bekommen habe. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass mir die meisten Dinge zufliegen. Bloß die Fauteuils im Wohnzimmer habe ich neu tapezieren lassen. Noch roter als diese Wohnung ist mein Haus in Strasshof an der Nordbahn. Da ist das gesamte Haus außen und innen rot, und sogar mein Kugelbaumhaus habe ich in allen Rottönen bemalt.

Ich glaube nicht, dass ich von Rot jemals die Nase voll haben werde. Ich denke, mein Universum wird bis an mein Lebensende rot bleiben. Der einzige nichtrote Raum ist mein Atelier. Es ist weiß und somit farblich neutral, damit mich das reflektierte Licht beim Arbeiten nicht beeinflusst.

Fotos: Lisi Specht

Noch lieber als wohnen und arbeiten tue ich übrigens schlafen. Sobald ich mich ins Bett lege, freue ich mich auf meine Träume. Ich träume Scifi und Dokumentationen, oft auch ganze Serien mit einzelnen Folgen. Manchmal sind die Träume so unglaublich, dass ich in der Nacht wieder aufstehen und sie sofort niederschreiben muss.

So sammelt sich im Laufe der Zeit einiges an: Träume, Texte, Gegenstände. Ich bin das absolute Gegenteil einer Minimalistin, aber ab und zu muss auch ich mich disziplinieren und mich von Gegenständen trennen, indem ich sie in meine Kunst einfließen lasse: Schuhe, Krücken, Dessous, Parfumflaschen, Lippenstifte ... Die Grenze zwischen Kunst und Leben ist fließend." (5.1.2018)