Falco im Mai 1993, Konzert in den Wiener Sophiensälen: Wie Jimi Hendrix hat er nach seinem Tod gefühlt gleich viel Musik veröffentlicht wie zu Lebzeiten.

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Falco bei Wetten, dass...? am 5. November 1988

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In Österreich, und das ist fix, sind wir nicht die Schnellsten und Hellsten. Da kann die Vergangenheit noch so lange vorbei sein. Wir lernen sie erst in der Gegenwart schätzen. Damit wir uns damit auch noch die Zukunft verbauen können. Dies ist ein beinhartes politisches Protestlied. Es geht um Córdoba (Sieg!), Franz Klammer (Sieg!), Hermann Maier (Sturz!), Arnold Schwarzenegger (Amerika!), Josef Ressel (Wer?!), Niki Lauda (Unfall!).

Irgendwas ist auch mit Toni Sailer, aber da haben wir gerade Mut zur Lücke. Und es geht natürlich um "Rock Me Amadeus" (Mozart schon auch, aber!): Falcos Welthit mehr oder weniger ohne Gesang! Oder sagen wir, "Rock Me Amadeus" legte seinen Schwerpunkt in der internationalen Version nicht so sehr auf Textlastigkeit, sondern auf das lautmalerische Ballaballa im Refrain. Eintagsfliege. Wegwerfgesellschaft. Abwaschbar, aufblasbar, wunderbar. Zwischenzeitweltmeister.

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Ob Sieg oder Niederlage ist am Ende letztlich egal. Es geht um Identitätsstiftung im Mir-san-mir. Ist Österreich eine Nation? Ein Zustand ist es auf jeden Fall. Der Zustand heißt: Früher hätten Sie uns sehen sollen!

Falco ist ein österreichischer Popmusiker, der am 6. Februar 2018 exakt 20 Jahre tot sein wird. Betrunkener Autounfall in der Dominikanischen Republik. Auch Gustav Klimt (der mit dem Gold und dem Kuss!) ist am 6. Februar gestorben. Allerdings 100 Jahre früher. Für beide Künstler gilt: Sie sind gut durchdekliniert. Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von allen. Jeder weiß eigentlich alles über sie, beziehungsweise besitzt man ein Basiswissen, mit dem man ohne allzu viele Details nicht Gäste auf einer Party zu langweilen beginnt.

Die Verwertungsmaschine rollt

Falcos große Zeit erlebte der am 19. Februar 1957 als Johann Hölzel in Wien geborene Sänger und Bassist Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre. Gemeinsam mit Künstlern wie Tupac Shakur oder Jimi Hendrix teilt er sich mittlerweile das Schicksal, nach seinem Tod gefühlt gleich viel Musik veröffentlicht zu haben wie zu seinen Lebzeiten. Das ist nicht immer gut für die Erinnerung. Es ist aber gut für das Geschäft. Die Falco-Verwertungsmaschine rollt. Und sie läuft wie geschmiert.

Gerade eben wurde anlässlich eines von Dom- und "Seitenblicke"-Pfarrer Toni Faber abgehaltenen Gedenkgottesdienstes im Wiener Stephansdom zu Ehren des größten heimischen Musikers aller Zeiten seine Musik im Stil barocker Kirchenmusik aufgeführt. Die Firma mit der Dose aus Fuschl am See ließ in jüngster Zeit diverse Elektronikproduzenten mit dem Boing-Bumm-Tschak über das altbekannte Ausgangsmaterial gehen.

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Immerhin hat Falco laut heimischer Hagiografie einst mit "Der Kommissar" nicht nur die amerikanische Rapmusik deutscher Prägung erfunden, sondern 1996 mit "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da", einer Bearbeitung eines alten Berliner Küchenliedes, nachträglich den Techno begründet.

Trashliteratur

Kooperationen mit dem 1991 verstorbenen Miles Davis waren Ende der Neunzigerjahre möglicherweise vielleicht ebenso geplant wie ein gemeinsames Album mit Peter Alexander, Chuck D von Public Enemy und Kruder & Dorfmeister. David Bowie klopfte an die Tür und wollte Falcos Song "Helden von Heute" adaptieren.

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Schmäh ohne: Es gibt Falco tatsächlich auch mit Symphonieorchester, am Ende seiner Karriere, als es nicht mehr so gut lief. Es gibt Falco als Comics oder in Gestalt diverser Musicals, die in olympischen Abständen über die Welt kommen. Es gibt aktuell ein Album namens "Coming Home – Falco feat. Donauinsel-Tribute-Stars", ein Livemitschnitt von 2017 auf der Donauinsel.

Mit der Original-Falco-Band unter dem Sachwalter Thomas Rabitsch und Gastsängern wie Gianna Nannini (Himmel!) oder Julian Le Play (um Himmels willen!) wird Falcos berühmter Donauinselauftritt von 1993 nachgestellt. Dem werden heute ähnliche historische Dimensionen nachgesagt wie einst dem Auftritt von Karl Schranz auf dem Wiener Heldenplatz, als er 1972 bei den Olympischen Winterspielen in Sapporo disqualifiziert worden war und deshalb heiliggesprochen wurde.

Falco | Best Of Falco

Falco selbst ist auf der Donauinsel 2017 auf der Leinwand mit dabei und singt auch. An einer Falco-Tour mit Hologramm als Sänger wird in südkoreanischen Geheimlabors gearbeitet. Schon geben tut es einen unfassbar, sagen wir, nicht so gut gemachten Kinofilm von 2007, "Falco – Verdammt, wir leben noch!", der auf der noch unfassbar schlechteren Romanimitation "Falco – Hoch wie nie" aus der Produktionswerkstätte Rudi Dolezal und Hannes Rossacher beruht.

Die Musicaldarsteller Drew Sarich und Ana Milva Gomes beim Falco-Tribute-Konzert am Donauinselfest in Wien. 2017
Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Sie ist noch im Todesjahr 1998 im Zeichen der Schillingmaximierung erschienen und muss als vergessenes Meisterwerk der Trashliteratur wiederentdeckt werden, in dessen Zusammenhang der Begriff "spekulativ" wie ein dickes Lob klingt. Falcos Leben war immerhin "voller Kontraste".

Zitat aus dem Klappentext, der uns sattsam bekannte biografische Details erspart: "Es handelt von rasantem Aufstieg und illustrem Absturz. Von der Schnellebigkeit einer verrückten Branche und von der Zeitlupe abseits der Erfolge. Vom Jubel und der Stille danach. Es erzählt von Frauen und Einsamkeit. Von gelebten Träumen und wahren Sehnsüchten. Es beschreibt das Niemandsland zwischen Selbstüberschätzung und Zweifel. Und es geht um einen tragischen Unfall, bei dem Hans Hoelzel starb, während Falco zur Legende wurde."

Die Musik Falcos

Somit hätten wir diese Details auch geklärt. Hans Hölzel benannte sich übrigens der Internationalität wegen irgendwann in Hoelzel um. Apropos "Imitation of life": Mit den Blues Brothers teilt sich Falco zahlreiche Imitatoren, die für Firmenweihnachtsfeiern ebenso geeignet sind wie für die Eröffnung einer Schnitzelland-Filiale. Heutzutage würde Falco bei einem Falco-Wettbewerb nicht auf Platz eins kommen. Wer kann sich schon selbst nachmachen und dabei wahrhaftig bleiben?

Was bleibt, ist die Musik Falcos. Noch immer sei sie so aktuell wie früher, heißt es immer wieder. Das mag zum einen daran liegen, dass die 1980er-Jahre noch immer Saison haben, was man leicht nachvollziehen kann, weil einer jüngeren heutigen Generation von damals jungen Menschen an den Schaltstellen der Unterhaltungsindustrie heute medial eingetrichtert wird, dass das alles cool war.

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Das ist angesichts der Kleiderbauer-Outfits und käsigen Synthesizer, mit denen viele Falco-Songs speziell ab dem dritten Album 1985 (mit "Amadeus" drauf) vom holländischen Produktionsteam Bolland & Bolland zugeschmiert wurden, nicht immer leicht nachzuvollziehen.

Der Meister des Denglisch

Immerhin muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass Falcos künstlerisch interessante Zeit inklusive der Etablierung der sprachlichen Mischform des längst zum Umgangston gewordenen hiesigen Denglisch nach den Alben Einzelhaft und Junge Römer schon 1984 vorbei war und danach Aufguss um Aufguss und kleiner Flop auf größeren Flop folgte.

Was aber einem Volk, das dem Guten und Schönen, nicht aber unbedingt dem Wahren verpflichtet ist, ebenso egal ist wie den zuständigen Programmgestaltern das Programm von Ö3. Im Provinziellen muss man die anhaltende Strahlkraft Falcos festmachen. Weltberühmt in Österreich.

Oder wie der Lateiner sagt: Besser ein Kaiser in der Provinz als ein Senator in Rom. (Christian Schachinger, 4.2.2018)