Rechtskonservative ohne Platz?

Illustration: Felix Grütsch

Illustration: Felix Jörg Grütsch

Wenn "die Burschenschaften" dieser Tage zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen und angedeuteter Grundsatzdebatten zu Konsensen der Zweiten Republik werden, so bedeutet dies nicht, dass auch nur einer dieser Dispute zu einem ernsthaften Diskurs wird. Umso bemerkenswerter erscheint mir daher Ludwig Lahers Betrachtung im STANDARD ("Burschenschafter – das noch größere Desaster", 26. 1. 2018), in der er es ablehnt, "rechtskonservative nationale Denkgebäude per se als NS-affin abzutun", und hofft, es gebe auch unter den heutigen Burschenschaftern "durchaus anständige Leute" in öffentlichen Ämtern und mit Einfluss auf staatliche Entscheidungen.

Abseits der aktuell leider nicht ganz absurden Infragestellung einer solchen Möglichkeit sei festgestellt: Natürlich gab und gibt es in der Zweiten Republik offensichtlich "anständige Menschen", die dieser Denkrichtung angehören und die dazu befugt oder befähigt waren, den demokratischen, liberalen Rechtsstaat Österreich – auch in seiner Nationswerdung – positiv zu gestalten. Müssen sich diese heute wegen eines infantilen und menschenverachtenden bzw. antisemitisch und rassistischen Liedtextes, den sie weder erdacht noch gesungen haben, pauschal rechtfertigen? Oder stehen sie nicht sowieso per se unter Generalverdacht?

Bei aller gemeinsamer Verachtung für den Liedtext und Respekt vor persönlicher Betroffenheit scheint es um mehr zu gehen als um den antifaschistischen Konsens der Zweiten Republik. Dieser allein berechtigt natürlich zur Erregung. Es beschleicht einen aber aufgrund einzelner Äußerungen im Zuge der Causa der Gedanke, dass es doch auch um den Aspekt geht, rechtskonservative Denkgebäude per se nicht Platz greifen lassen zu wollen. Wenn ja, so ist die These von Innenminister Herbert Kickl, die ÖVP-FPÖ-Koalition sei der Gegenentwurf zur 68er-Bewegung und den aus ihr entstandenen, umstrittenen Gesellschaftsentwicklungen, eine Ansage, der von politisch links Motivierten jedenfalls energisch zu begegnen ist. Denn beide, Kickl-FPÖ und viele Bünde, sehen sich wohl als Instrumente einer solchen "Gegenrevolution".

Skurriler Strache

Umso skurriler wirkt die Erklärung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache, FPÖ und Burschenschaften hätten nichts miteinander zu tun. Auch wenn ich, wie viele in den Bünden, für eine strikte Trennung plädiere: Profitiert haben sie natürlich voneinander und einzelne ihrer Funktionäre sogar verhältnismäßig viel. Andere werden – zu Recht oder zu Unrecht – vor den Vorhang gezogen, wobei ich ausdrücklich zwischen dem aktuellen und anderen Fällen unterscheiden möchte. Dennoch die Methode und der Ablauf sind immer gleich. Zuerst von Bund und Partei verbal unterstützt und dann allenfalls versteckt oder fallengelassen. Wie etwa Herbert Haupt 1995 bei seiner demonstrativen "Nicht-Wahl" durch die ÖVP und einige FPÖ-Mandatare als Dritter Präsident des Nationalrates.

Dass sich Derartiges immer wiederholen wird, auch oder erst recht in einer Koalition mit der ÖVP, scheint in der FPÖ in Vergessenheit zu geraten, nicht bekannt zu sein oder unterschätzt zu werden. Nicht, dass ich dies persönlich bedauern würde. Es sei nur den Korporationen ins Gedächtnis gerufen, nicht die FPÖ oder deren Macht werden ihr Schicksal bestimmen, sondern ihr eigenes Verhalten und das ihrer Funktionsträger.

Umso ärgerlicher ist, dass die Debatte erst von außen und anlässlich einer solchen Verwerfung aufkommt. Wir müssen uns fragen: Wovon sollen sich die Verbindungen trennen? Wofür können unsere aufgeklärten und dennoch traditionellen Werte und Prinzipien positiv in Österreich und einem sich vereinenden Europa stehen?

In der derzeitigen, allgemeinen Debatte aber sind sicher nicht die Bünde gemeint, über diese allein könnte man ja schon lange diskutieren. Es geht grundsätzlich um die Macht, die nunmehr von der FPÖ ausgeht. Man schlägt daher den einen, treffen will man aber vor allem den anderen.

Natürlich liegt es an den Korporationen, das Verhältnis zur FPÖ, aber auch zur Vergangenheitsfrage zu klären. Bewusst von innen heraus, glaubwürdig und aus eigener Überzeugung. Leider bedurfte es dieses Ereignisses, damit zum Beispiel der Österreichische Pennäler-Ring öffentlich wahrnehmbar eine abgrenzende Erklärung gegen Nationalsozialismus und für Österreich, Demokratie, Rechtsstaat und Verfassung abgab. Gleichwohl hegen Verbände, einzelne Bünde und viele Korporierte selbst schon lange derartige Überzeugungen und artikulieren diese auch. Allein, wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, von berufener und auch unberufener Seite, dass Worte und Taten nicht immer im Einklang stehen.

Es ist unsere Vernachlässigung, nicht eine sich weiterentwickelte Form unserer Prinzipien von Ehre, Freiheit und Vaterland anzubieten, die für das gesamte politische Spektrum Österreichs so akzeptabel erscheint, dass man nicht ständig fürchten muss, verteufelt oder gar verboten zu werden. Wir könnten im besten Fall auch in anderen politischen Lagern zu Hause sein, wie es historisch war. Aber nicht weil die Bünde ihre Prinzipien aufgeben und sich anbiedern, sondern weil die richtige und selbstbewusste Interpretation von historischem Deutschbewusstsein, Wehrhaftigkeit und Ehrenfestigkeit es nicht nur zulässt, sondern für mich sogar erzwingt, ein anständiger Humanist, österreichischer Patriot, deutscher Denker und europäischer Bürger sein zu wollen.

Schwach, reaktiv, verschämt

Insofern sind für mich die derzeitigen Versuche von Bünden und FPÖ, das Ungemach abzuwenden, reaktiv, von einer gewissen Schwäche und Verschämtheit. Im Ergebnis könnte auch damit nicht verhindert werden, was wahrscheinlich beide seit Jahren befürchten: Auflösungsverfahren könnten drohen. Vorerst geht es um eine Verbindung, bald könnte es um ganze Verbände gehen. Dem ist rechtsstaatlich zu begegnen, aber auch durch mutiges Auftreten und klare Bekenntnisse.

Eine Historikerkommission allein wird da wohl nicht genügen. Strache hat diese für beide, FPÖ und Bünde, angeregt. Obwohl er für Letztere weder sprechen kann noch will (er sieht ja keinen Zusammenhang zwischen beiden). Für den ehrlichen Diskurs braucht es von beiden Seiten, Gegnern wie Befürwortern nationalliberaler Korporationen, ernsthafte Schritte im Versuch des Verstehens sowie eine Abrüstung pauschaler Vorwürfe und durch halbwissenschaftliche Beiträge erfolgende Gleichsetzungsrituale. Die Korporationen müssen den offenen Dialog beginnen, nach innen und außen. Daher im Sinne des offiziellen Liedes: Burschen heraus! (Günther Barnet, 2.2.2018)