Gutes Einvernehmen zwischen Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić und seinem Gastgeber Alexander Van der Bellen.

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Belgrad/Sarajevo/Wien – Geht es nach Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen, so war der Besuch seines serbischen Amtskollegen Aleksandar Vučić in Wien "eigentlich ein Heimspiel". Der Anteil der serbisch-stämmigen Bevölkerung in Wien sei "außerordentlich hoch", so Van der Bellen am Dienstag beim gemeinsamen Pressegespräch in der Wiener Hofburg: "Uns verbindet eben nicht nur die Geschichte, sondern auch viele familiäre Bande zwischen der Bevölkerung Serbiens und jener Österreichs."

Thema der Gespräche der beiden Staatsoberhäupter waren aber in erster Linie der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen sowie der von Serbien angestrebte Beitritt zur Europäischen Union. Österreich ist dabei auch im Hinblick auf seine im zweiten Halbjahr 2018 bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft ein wichtiger Partner Belgrads. "Präsident Vučić treibt diesen Beitritt voran, und Österreich unterstützt dies voll und ganz", erklärte Van der Bellen.

Schatten der Vergangenheit

In dieselbe Kerbe schlug wenig später Bundeskanzler Sebastian Kurz. "Wir unterstützen Serbiens Weg in die EU", sagte er nach seinem Treffen mit Vučić. "Ich habe das als Außenminister getan, und ich werde das als Kanzler fortsetzen." Wichtig im Beitrittsprozess der Westbalkanstaaten sind für Kurz etwa der Kampf gegen Korruption oder "Maßnahmen, um Konflikte aus der Vergangenheit zu begraben". Beitrittsverhandlungen werden außer mit Serbien noch mit Montenegro geführt, Beitrittsperspektiven gibt es für Albanien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina sowie den Kosovo.

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Gerade das serbisch-kosovarische Verhältnis ist problematisch. Serbien hat den Kosovo nie anerkannt. Gespräche zwischen beiden Seiten waren kürzlich nach der Ermordung des Serbenführers Oliver Ivanović im Nordkosovo wieder auf Eis gelegt worden. Vučić beteuerte jedoch, weiterhin den Dialog mit Prishtina zu suchen. Bundespräsident Van der Bellen bekannte zwar, dass die EU "ungern neue Mitglieder mit ungeklärten Grenzfragen aufnimmt", äußerte sich jedoch optimistisch, dass eine Lösung gefunden werden könne, die beide Seiten "einigermaßen zufriedenstellt".

Offene Kapitel

Nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine mögliche nächste Erweiterungsrunde im Jahr 2025 in Aussicht gestellt hat, hoffen Serbien und Montenegro nun auf dieses Datum. Es gibt aber sogar Zweifel, ob der Beitritt innerhalb der nächsten zehn Jahre möglich sein wird. Die wichtigsten Reformen – nämlich jene im Justizbereich – wurden noch nicht einmal in Angriff genommen. Serbien hat zwölf von 34 Kapiteln des EU-Rechtsbestandes geöffnet, nur zwei wurden schon geschlossen. Montenegro hat bereits 30 Kapitel geöffnet und drei geschlossen. Allerdings kann man davon ausgehen, dass Mazedonien – wenn es endlich verhandeln darf – sehr viel schneller weiterkommen wird, weil es schon viel Vorarbeit geleistet hat.

Serbien will auch die Handelsbeziehungen zu Wien intensivieren. 2016 rangierte Österreich aus Belgrader Sicht auf Platz acht, wenn es um die Importe des Balkanstaats aus dem Ausland geht – hinter Deutschland, aber auch China, Russland und der Türkei. Auf der anderen Seite liegt Österreich nicht einmal unter den Top-Ten-Exportstaaten Serbiens.

Hier soll nun der Hebel angesetzt werden, wenn es nach Vučić geht. Denn erholt sich die Exportwirtschaft, erholen sich auch die Wachstumsraten Serbiens. Das ist – im Vergleich zu umliegenden Staaten – seit mittlerweile drei Jahren nur langsam der Fall und soll daher beschleunigt werden. Weil er den Handel stärken will, nützte Vučić den Besuch in Wien auch, um sich mit 20 Unternehmern zu treffen.

Der Winter kam

Serbien und Vučić punkten im Ausland vor allem mit angekündigten Wirtschaftsreformen. Doch schaut man auf die Zahlen, so geht es Serbien nicht besonders gut.

Wie Wirtschaftswissenschafter Vladimir Gligorov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) erklärt, hat dies auch mit dem "schlechten Jahr für die Landwirtschaft" zu tun.

Der strenge Winter und der trockene Sommer brachten Ernteausfälle. Serbien aber ist stark von der Landwirtschaft abhängig – zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden in dem Sektor erwirtschaftet. Die Elektrizitätsproduktion ging zudem um 20 Prozent zurück, was ebenfalls der Wirtschaft schadete. Gligorov führt dies auch auf das Missmanagement in der Elektrizitätswirtschaft und beim Kohleabbau zurück, der damit zusammenhängt.

Vieles verschlafen

Insgesamt gebe es zu wenig Investitionen im öffentlichen Sektor. "Aber auch im Privatsektor hat es bei den Investitionen nicht so geklappt, wie erwartet", so Gligorov zum STANDARD. Der Experte verweist auch auf das Problem, dass im Staatssektor zu viele Leute beschäftigt seien.

In der neuen Budgetstrategie seien jedoch nicht viele Änderungen in diesem Bereich enthalten, moniert Gligorov. "Man sollte das System so reformieren, sodass man Investitionen besser subventioniert", rät er. Außerdem fehlten ihm zufolge tiefe Strukturreformen im Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie effektivere Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung. (Gerald Schubert und Adelheid Wölfl, 2.2.2018)