Wien – Es ist nicht leicht, es Tauben und Falken gleichzeitig recht zu machen. Eine Erfahrung, die auch Janet Yellen als erste Frau an der Spitze der US-Notenbank Fed machen musste. Als sie am 3. Jänner 2014 ihren Amtseid leistete, wusste sie um die heikle Aufgabe, die ihr bevorstand: Nach zwei Dekaden sinkender Zinsen und immer lockerer Geldpolitik sollte sie die Trendwende einleiten. Ebenso war ihr klar, dass dies dem einen Lager – im Jargon der Notenbanker Falken genannt – nicht schnell genug gehen kann, während Tauben bei der Straffung der Geldpolitik auf der Bremse stehen.

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Vom früheren Präsidenten Barack Obama wurde Yellen als Fed-Chefin inthronisiert.
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Vier Jahre später spart Goldman Sachs-Chefökonom Jan Hatzius, der den Falken zuzurechnen ist, nicht mit Kritik. Vor der letzten Zinsentscheidung unter Yellens Ägide wetterte er, dass die lockere Geldpolitik angesichts der starken wirtschaftlichen Verfassung zu viel des Guten sei. Seiner Ansicht nach kann der US-Leitzins in den nächsten zwei Jahren einen Anstieg um zwei Prozentpunkte verkraften. Das ist deutlich mehr, als Yellen in vier Jahren Amtszeit umgesetzt hat, nämlich fünf Zinsschrittchen um je einen Viertel Prozentpunkt auf das aktuelle Niveau von 1,25 bis 1,5 Prozent. Zudem hat sie den Abbau der durch die Anleihenkäufe ihres Vorgängers Ben Bernanke aufgeblähten Bilanz der Fed eingeleitet.

Auffallend dabei war die unauffällige Art, mit der sie sich von ihren eher schillernden Vorgängern Alan Greenspan und Bernanke abhob. Abrupte Manöver oder andere Überraschungen brauchten Wirtschaftslenker und Börsianer nicht zu befürchten, das Vorgehen der 71-Jährigen war stets für alle vorhersehbar. Was womöglich auch mit ihrem Ehemann George Akerlof zu tun hat. Berühmtestes Werk des Ökonoms und Träger des Wirtschaftsnobelpreises ist nämlich ein Aufsatz über die negativen Auswirkungen von ungleicher Informationsverteilung auf freie Märkte.

Wirtschaft und Börse auf Kurs

Dass während ihres Wirkens sowohl Wirtschaft als auch Finanzmärkte auf Kurs geblieben ist, kann Yellen für sich verbuchen. Die Konjunktur entwickelt sich mit einem Wachstum im Jahresabstand von zuletzt 2,6 Prozent und die Arbeitslosigkeit liegt mit einer Rate von 4,1 Prozent im Jänner auf dem tiefsten Stand seit 17 Jahren. Zeitgleich feierten die Börsianer an der Wall Street eine ausgiebige Party, der Dow Jones Index rauschte während Yellens Amtszeit pro Jahr im Schnitt um 17 Prozent nach oben.

Es liegt also nicht an offensichtlichen Misserfolgen, dass Yellen keine zweite Amtszeit vergönnt ist. Vielmehr hat sie Präsident Donald Trump, anders als zuvor üblich, nicht um eine Verlängerung gebeten. Er hat aber auch keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich einen anderen Kurs der Notenbank wünscht. Oder anders ausgedrückt, eine Fed, die seinen wirtschaftspolitischen Kurs willfährig mitträgt. Diesbezüglich ist Yellen offenbar nicht die Richtige, wie auch ihre Kritik an Trumps Steuerreform zeigte.

Sachlich und zurückhaltend, wie es ihrer Art entspricht, gab sie im Dezember zu bedenken, dass die Steuersenkung die Finanzierung des Staates erschweren könne, besonders wenn die derzeit brummende Konjunktur wieder nachlassen sollte. Jedenfalls ernannte Trump Jerome Powell als Yellens Nachfolger, der am Montag den Amtseid schwören wird.

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Unter Präsident Donald Trump erfolgt Yellens Abgang als Fed-Chefin.
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Damit tritt auch er ein schweres Amt an, schließlich muss er unter der erratisch wirkenden Trump-Regierung die Normalisierung der Geldpolitik weiter vorantreiben. Dessen Gelingen wird auch über eine abschließende Beurteilung von Yellens Amtszeit entscheiden – denn das letzte Wort ist diesbezüglich noch nicht gesprochen. Auch Daniel Crissinger, der in den goldenen 1920er-Jahren als einziger Fed-Vorsitzender eine bessere Börsenbilanz erzielte als Yellen, übergab sein Amt 1927 mit Wirtschaft und Wall Street in scheinbar bester Verfassung. Zwei Jahre später folgte der Börsencrash samt Weltwirtschaftskrise.

Derlei Ungemach muss diesmal keineswegs folgen. Sollte aber die Konjunktur tatsächlich abschmieren, kann die Fed angesichts immer noch extrem tiefer Zinsen kaum dagegenhalten. Womit die Kritik von Falken wie Hatzius an der Taube Yellen im Nachhinein wohl berechtigt wäre. (Alexander Hahn, 3.2.2018)