Nach der Niederlage gegen Do & Co vor fünf Jahren brach Josef Donhauser der Großteil seines Geschäfts weg und er musste den Gastrobetrieb völlig neu ausrichten.

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STANDARD: Die Catering-Branche gilt als verschwenderisch, es werden täglich – abgesehen vom Verpackungsmüll – Tonnen von Nahrungsmitteln weggeworfen. Haben Sie ein reines Gewissen?

Donhauser: Die Catering-Branche ist generell sehr unterschiedlich sektoriert und auch fragmentiert. Es gibt die Verpflegungsgastronomie, das Gala- und Eventcatering, das natürlich üppiger ist, und viele andere Facetten. Ich behaupte, ohne Statistiken zu bemühen, dass die Essensvernichtung im privaten Haushalt größer ist. Wenn jemand frisch kocht, und dieser Trend verstärkt sich, produziert er sicher mehr Müll, als wir in großen Lösungen schaffen. Aber Nachhaltigkeit ist ein Riesenthema, keine Frage. Es gibt kaum eine Ausschreibung, in der wir nicht mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen konfrontiert sind. Da müssen wir liefern.

STANDARD: Nicht nur Sie werben in der Bordverpflegung mit "frisch gekocht". Aber das ist doch eine Schimäre. Es wird gekocht, verpackt und dann aufgewärmt. Serviert man dem Kunden eine Illusion?

Donhauser: Nein, das glaube ich nicht. Das Wesen von Frischküche ist doch, dass ich auf künstliche Konservierungsstoffe, künstliche Aroma- und Farbstoffe gänzlich verzichte. Und dann ist es für mich noch frisch gekocht. Wenn ich koche und die Speisen warmhalte, bis sie der Gast irgendwann verzehrt, dann kann eine viel höhere und schlimmere Bakterienkontamination entstehen. Die Werthaltigkeit des Essens ist jedenfalls besser gewährleistet, wenn ich koche, chille und bei Bedarf richtig konserviere, als wenn ich es künstlich haltbar mache. Aber keine Frage, das Frisch-Kochen auf dem Herd, das Auf-dem-Teller-Anrichten und Essen kann ich dadurch nicht ersetzen. Diesen Luxus kann man sich im À-la-carte-Restaurant leisten, aber nicht in der Verpflegungsgastronomie. Im Restaurant sind die Kosten für die dahinterstehende Dienstleistung so hoch, dass das Essen nicht mehr für jedermann leistbar wäre.

STANDARD: Reich wird man damit nicht, der Wirt verdient ja nur an den Getränken, oder?

Donhauser: Das ist so. Ein klassisches, ehrliches Gasthaus, wo noch der Wirt drinsteht, kommt kaum noch über die Runden.

STANDARD: Warum? Liegt das an der Systemgastronomie, die in der Masse billiger produziert?

Donhauser: Aus meiner Sicht gibt es dafür mehrere Gründe. Natürlich auch die Systemgastronomie, sie hat ihr Geschäftsmodell skalierbar gemacht und produziert kostengünstiger. Dort macht sich eine Person Gedanken darüber, was auf die Speisekarte kommt, ein anderer macht sich Gedanken, wo was eingekauft wird, und der Dritte macht die Dienstpläne für mehrere Standorte. Der einzelne Wirt kann sich nicht mit Einkaufsgenossenschaften für die besten Waren beschäftigen, gleichzeitig servieren und gleichzeitig einen Dienstplan schreiben. Das geht sich nicht aus. Die Dienstleistung kostet – zurecht -, und das bringt er auf den Schnitzelpreis einfach nicht drauf. Das geht sich kalkulatorisch nicht aus, außer das Schnitzel kostet 30 Euro. Aber dann kauft es keiner. Das ist ein Teufelskreis. Früher, im Familienbetrieb, war das anders, alle haben mitgeholfen.

Bild vom ÖBB-Restaurant aus alten Zeiten.
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STANDARD: Nochmals zurück zum Airline-Catering. Fluglinien schmeißen nach dem Flug alles weg, egal ob die Verpackung angebrochen ist oder nicht. Sind die Hygienevorschriften überzogen?

Donhauser: Möglicherweise sind die Vorschriften überzogen. Aber ich wüsste keine Alternative. Der Caterer kann es nicht zurücknehmen, er muss ja die Kühlkette garantieren, was er nach dem Flug nicht kann. Denn nach 24 bis 48 Stunden erleben wir schon einen Abbau der Qualität und eine vermehrte Bakterienkontamination. Das wird dann einfach gefährlich.

STANDARD: Wie lässt sich Überproduktion verhindern? Der Verlustgrad im Catering beträgt laut einer Studie der Universität für Bodenkultur 38 Prozent, mehr als ein Drittel der Speisen landet im Müll.

Donhauser: Beim Buffet lässt sich die Überproduktion nicht verhindern, weil man auch dem letzten Gast eine ordentliche Auswahl bieten muss. Aber als erfahrener Caterer kann man das durch Nachproduktion halbwegs aussteuern. Beim Tellerservice oder gesetzten Dinner haben wir hingegen kaum Überkapazitäten.

STANDARD: Im Flugzeug wissen Sie, wie viele Passagiere an Bord sind und wie viele davon höchstwahrscheinlich ein Weckerl essen. Wie ist das in der Bahn?

Donhauser: (lacht) Das würde ich auch gern wissen! Ein Railjet hat 408 Sitzplätze und hat auf der Fahrt von Budapest nach Zürich acht oder zehn Haltestellen. Theoretisch könnten, wenn an jedem Bahnhof alle aussteigen und neue Fahrgäste einsteigen, in dem Zug also 3000 Fahrgäste sitzen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Flugzeug: Ich weiß nicht, wie viele Passagiere mitfahren, was sie essen und ob sie überhaupt essen wollen. Im Flieger hab ich kein à la carte, sondern eine sehr eingeschränkte Auswahl, vor allem in der Economy-Class. Da kann ich ziemlich genau hindosieren, on demand produzieren, weil ich drei Wochen im Vorhinein die Auslastung kenne. Und: Ich hab die Ware bereits verkauft, es bestellt ja die Airline. Das ist der wesentliche Unterschied.

STANDARD: Dann gleicht Speisewagenbewirtschaftung einer unkalkulierbaren Black Box?

Donhauser: Ja, das wird unterschätzt. Es gibt zwar Erfahrungswerte, aber man weiß nicht, wie viele Leute etwas konsumieren. Ich weiß letztlich nicht, wie ich zu meinem Geld komme. Auch das Handling ist aufwendig bis hin zum Bargeld, das Personal muss ja auch kassieren. Diese ganze Problematik wird oft unterschätzt. Es gibt Erhebungen, wonach der Fahrgast bis eine Stunde Fahrzeit keinen Bedarf an Verpflegung hat. Bis zwei Stunden werden Wasser und Kaffee nachgefragt, Essen erst ab zwei Stunden Reisezeit.

STANDARD: In der Urlaubszeit und bei Zugverspätungen gab es oft Beschwerden, wenn die Würstel ausgegangen sind. Können Sie nachliefern?

Donhauser: Unser Bestellsystem ist GPS-getrackt. Geht ein Produkt bald aus, wird das automatisch an die nächste Servicestelle gemeldet und die Bestellung abgesetzt. Das setzt aber natürlich voraus, dass die Mitarbeiter korrekt bonieren. Bahncatering braucht ein sehr spezielles Logistik- und Warenwirtschaftssystem und ist in Österreich viel komplexer als in der Schweiz. Dort kommt jeder Zug irgendwann zurück nach Zürich, denn das Hauptstreckennetz ist quasi ein Kreis mit Stützpunkten. Österreich hat eine lange Ost-West-Strecke, eine nach Süden und dann noch das inneralpine Alpenkreuz über Zell am See und Linz-Graz. Die dezentrale Topografie macht die Sache zusätzlich komplex.

STANDARD: Wer übernimmt die Kosten für Übernachtungen für die Mitarbeiter nach dem letzten Zug zum Beispiel nach Salzburg?

Donhauser: Wir müssen das an allen Endpunkten der ÖBB-Züge sicherstellen und finanzieren. Die Nächtigungskosten für das Personal machen sicher zwei Millionen Euro pro Jahr aus.

Frisch und schnell, lautet Donhausers Devise für Bahncatering.
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STANDARD: Teilweise kannibalisieren Sie sich selbst. Mit Ihren Subway-Fastfood-Läden und bald auch mit Fat Monk verkaufen Sie auf Bahnhöfen Essen und Snacks, die im Zug verzehrt werden.

Donhauser: Ja, die Vielfalt an schneller Verpflegung hat zugenommen, und dem müssen wir auch im Bahncatering mit attraktiven Angeboten begegnen. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns mit anderen Konzepten beschäftigen. Für gesundes, frisches Fastfood zum vernünftigen Preis gibt es sicher Bedarf. Ich kenne nichts, wo ich mich am Bahnhof schnell, gesund und frisch ernähren kann.

STANDARD: Die Legende besagt, Sie hätten im siebenten Wiener Bezirk ein kleines Café gehabt und den Auftrag für die ÖBB-Speisewagenbewirtschaftung 2001 in einer eher hemdsärmeligen Vergabe für é-Express bekommen. Was ist dran an dieser Garagengeschichte?

Donhauser: Das stimmt so definitiv nicht. Ich war am Anfang gar nicht dabei. Den Auftrag hat damals Reinhard Reitermeier bekommen, der sich mit Tricaffè und Culinarium Österreich einen Namen gemacht hatte und mit Gastronomie in Japan und Deutschland bekannt war. Daher kam auch das é im é-Express. Ich kannte Reitermeier, war in meiner Jugend sogar Geschäftsführer in seinem Segafredo am Graben. Er wollte irgendwann raus aus diesem Geschäft, und ich habe mich 2003 schrittweise beteiligt und es 2011 mehrheitlich übernommen.

STANDARD: Eisenbahner erzählen, die ÖBB musste früher viel weniger zum Railcatering zuschießen und Sie viel mehr eigenwirtschaftlich einfahren ...

Donhauser: Das stimmt, allerdings nur bis zur Railjet-Einführung 2008. Damals baute die ÖBB das Service enorm aus, führte in der ersten Klasse Service am Sitzplatz ein. Das war vom Volumen an Zügen und dem Umfang an Leistungen nicht mehr vergleichbar. Damals wurden etwa Freigetränke in der Businessclass eingeführt. Bei der Ausschreibung 2007 setzte sich é-Express gegen Do & Co durch.

STANDARD: Im Rückblick: War es vielleicht doch gut, dass Sie 2012 aus dem Zug geworfen wurden?

Donhauser: Es war extrem hart. Ich hatte damals keine mediale Teflonschicht, und die damals unterstellten Qualitätsmängel haben mich sehr getroffen. Ich habe 85 Prozent meines Geschäfts verloren, und der Rest hat nicht zusammengepasst. Mit der Weisheit des Rückblicks sage ich heute: Es war eine Zäsur, die vielleicht nötig war. Ich musste alles neu aufstellen. 2013 habe ich dann über einen Freund erfahren, dass Spitz für sein Catering mit 1,7 Millionen Euro Umsatz und 20 Beschäftigten jemanden sucht. Das ist jetzt so etwas wie meine Heimat geworden. (Luise Ungerboeck, 4.2.2018)