Bild nicht mehr verfügbar.

Migranten aus Eritrea demonstrierten vergangene Woche in Jerusalem gegen die israelische Flüchtlingspolitik. Die Menschen sollen nach Ruanda abgeschoben werden.

Foto: AP/Oded Balilty

Immanuel Jamani hatte seine Warnung schon Mitte Jänner erhalten, gut zwei Wochen bevor Israel damit begann, formale Abschiebebescheide an Flüchtlinge zu verteilen. Die Warnung war nicht offiziell, rassistisch und beleidigend.

"Ich war im Einwanderungsbüro, um mein neues Visum zu bekommen", erzählt der 40-Jährige, der 2008 aus Eritrea floh. Sein Antrag auf Asyl wurde bis heute nicht bearbeitet, so muss er alle zwei Monate seine Aufenthaltsgenehmigung erneuern lassen. "Ich habe gefragt, was eigentlich mit meinem Asylantrag ist. Der Mann dort sagte: 'Mach dir keine Sorgen, bald wirst du in einem Flugzeug sitzen, das dich zurück nach Afrika bringt. Dort kannst du unter einem Baum sitzen und Bananen essen wie ein Affe.'"

Gefängnis droht

Die Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Sudan und Eritrea in Drittländer ist ein Ziel der derzeitigen israelischen Regierung. Rund 2.800 Euro will Israel jedem Ausreisenden zahlen, plus Flugticket. Die Eritreer und Sudanesen sollen freiwillig gehen, nach Ruanda: In ihren Heimatländer droht ihnen Verfolgung, was laut internationalem Flüchtlingsrecht ihre Rückkehr verunmöglicht. Also werden sie nach Ruanda gebracht, mit dem es – offiziell unbestätigt – ein Abkommen geben soll.

Wer das Land bis 1. April nicht freiwillig verlässt, dem droht Gefängnis. Am gestrigen Sonntag hat die Einwanderungsbehörde nun damit begonnen, an jene, die ihr Visum verlängern wollen, Abschiebebescheide zu verteilen: Zwei Monate haben sie bis zur Ausreise Zeit.

Das Schicksal, das ihnen in Ruanda droht, ist ungewiss, weiß Sigal Rozen von der "Hotline für Flüchtlinge und Migranten". Die NGO konnte mit 140 von 4.000 Flüchtlingen, die in den vergangenen Monaten freiwillig ausgereist sind, Kontakt aufnehmen. "Es ist mittlerweile bekannt, dass in Ruanda keiner einen Status als Flüchtling erhält. Wir haben kein Problem, dass Israel die Ausreise anbietet. Aber die Flüchtlinge werden dazu gezwungen, und man betrügt sie und erzählt ihnen, dass sie dort Asyl erhalten."

"Eindringlinge"

Derzeit leben rund 34.000 Flüchtlinge aus Eritrea und dem Sudan in Israel. Die meisten kamen nach 2005 über den Sinai – bis Israel 2013 einen Zaun hochzog und niemanden mehr durchließ. Willkommen waren die Menschen hier nie: "Eindringlinge" werden sie offiziell genannt, Premierminister Benjamin Netanjahu machte erst kürzlich bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung von neuem klar: "Wir haben nichts gegen Flüchtlinge. Wir tun etwas gegen illegale Einwanderer, die hierherkommen, um zu arbeiten. Israel wird weiterhin Asyl für echte Flüchtlinge gewähren."

Laut der Hotline für Flüchtlinge und Migranten hat Israel in den vergangenen Jahren weniger als einem Prozent der Antragsteller Asyl gewährt. Von den 14.000 Anträgen sind 8.000 noch unbearbeitet. Der Rest wurde abgelehnt: "Hauptsächlich weil zwischenzeitlich eine Regelung eingeführt wurde, laut der Asylanträge nur bis ein Jahr nach Ankunft eingereicht werden dürfen", erklärt Sigal Rozen. Bis 2012 jedoch hätten Eritreer und Sudanesen überhaupt keinen Antrag stellen dürfen.

Um Geld und Arbeit ging es dem Eritreer Jamani nie, als er vor zehn Jahren aus seiner Heimat floh. "Ich war freiwillig in der Armee. Ich wollte für mein Land kämpfen, damit es eine Demokratie wird, mit Parteien und einem starken Militär." Doch nichts davon passierte. Stattdessen seien sie in Dörfer und Schulen geschickt worden, um Frauen und Jugendliche zum Armeedienst zu zwingen.

Jamani stellte kritische Fragen, wurde mehrfach inhaftiert. "Als sie glaubten, ich würde für die Opposition arbeiten, hatte ich Angst um mein Leben und bin geflohen." Heute lebt er im Süden Tel Avivs, teilt sich eine Wohnung mit Freunden, zuletzt hatte er einen Job in einem Gemüseladen. "Klar habe ich Angst. Doch nach Ruanda gehe ich nicht, vorher gehe ich lieber ins Gefängnis", sagt er.

Widerstand regt sich

Wird es so weit kommen? In Israel regt sich Widerstand gegen das Vorhaben der Regierung: 36 Holocaust-Überlebende forderten jüngst Netanjahu dazu auf, den Plan zu stoppen: Gerade sie wüssten, was es bedeutet, ein Flüchtling zu sein. Auch Ärzte, Rabbiner, Schulrektoren, Schriftsteller und Akademiker meldeten sich zu Wort, Piloten der israelischen Fluggesellschaft El Al kündigten an, keine Flüchtlinge nach Ruanda zu fliegen, die dazu gezwungen werden. Und auf Initiative der Rabbinerin Susan Silverman, Schwester der US-Komikerin Sarah Silverman, meldeten sich hunderte Familien, die Flüchtlinge zu Hause aufnehmen würden. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 5.2.2018)