Trauerminute bei Ikea vor einer Woche.

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Ikeas System zur Steuervermeidung "ist so ausgeklügelt wie die Bauanleitungen für seine Möbel – und Diebstahl an der Gesellschaft": Das Urteil des deutschen Grünen Sven Giegold ist hart. Es fiel, als die EU-Kommission im vergangenen Dezember erklärte, Steuerdeals des Konzerns mit den Niederlanden unter die Lupe zu nehmen. Erneut rückte das komplizierte Geflecht von Firmen, zwischen denen Gewinne verschoben wurden, um weniger bis gar keine Steuern zu zahlen, in den Fokus.

Die Zeiten haben sich geändert: Die umstrittenen Praktiken zur Steuervermeidung von Konzernen durch das Kleinrechnen von Erlösen sind immer weniger gelitten. Wie andere Multis pocht auch der weltgrößte Möbelhändler darauf, im Einklang mit den jeweiligen Rechtssystemen zu agieren.

Grüße aus der Schweiz

Lange, ehe die steuertechnische Optimierung in aller Munde und damit auch in Misskredit geriet, war sie für Gründer Ingvar Kamprad Pflicht. Steuern seien Kosten, und die gelte es so niedrig wie möglich zu halten, lautete stets sein Credo. Schon in den frühen 1980er-Jahren bewog es ihn, den Grundstein für ein schwer durchschaubares Netzwerk von Stiftungen zu legen. Er selbst verließ das Hochsteuerland Schweden Richtung Schweiz.

Mit Mitarbeitern pflegte Kamprad einen familiären Umgang – zumindest vor den Kameras.
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Glaubt man seinen Biografen, ging es Kamprad ums Prinzip. Formal locker sein, aber hart im Geschäft, das habe er seinen Mitarbeitern zeit seiner Regentschaft gepredigt. Jeder Angestellte solle bescheiden und mit dem unbedingten Willen zum Profit ausgestattet sein. Ohne harte Kostenkontrolle hätte die Geschäftsidee wohl auch gar nicht funktioniert. "Wir müssen billiger als andere sein. Der Massenverkauf qualitativ hochstehender Produkte ist unser Geschäft", hat Kamprad in einer 1998 veröffentlichen Biografie geschrieben. Teurer Materialeinsatz, niedrige Produktionskosten, so sollte sich das alles ausgehen.

Hart an der Grenze

In vielem war der Mann aus einem wohlhabendem Gutshaus im einst armen Südschweden der Entwicklung weit voraus. Auf die grüne Wiese am Stadtrand setzte er seine Möbelhäuser, als dies angesichts der spärlichen Motorisierung noch ein Risiko war. Die Mieten waren dort einfach günstiger. Mittlerweile sind auch hierzulande die meisten bekannten Einkaufsstraßen frei von Möbelhändlern.

Zimperlich ging es auf dem Weg vom schwedischen Kellerbetrieb zum globalen Weltkonzern – immer mit eigenem Geld – nie zu. Schon in den Sechzigerjahren, als von Globalisierung weit und breit keine Rede war, ließ Kamprad seine Regale billig im sozialistischen Polen zusammenzimmern – die schwedischen Tischler machten es zu seinen Bedingungen nicht.

Selbst Zwangsarbeiter eingesetzt

Später wurde in der DDR produziert; wie sich später herausstellte, waren auch Zwangsarbeiter aus DDR-Gefängnissen zur Arbeit an den hübsch designten Produkten abgestellt. Zu gegebener Zeit zog Ikea auf der Suche nach günstigen Produzenten weiter nach Asien. Inzwischen kommt kein Möbelhaus ohne Osterschmuck, Gartendeko und vergleichbaren Firlefanz – meist Billigprodukte aus Asien – aus. Die Gewinnspannen sind besonders hoch. Kauft der Händler ein Lämpchen in China um einen Euro, nimmt es ihm der Kunde hierzulande um zehn Euro ab.

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Im Ikea-Museum wurde Kamprad verewigt.
Foto: AP/Ola Torkelsson

Das Businessmodell der Schweden machten die Traditionshäuser nicht nach: Möbelhändler und -produzent in einem. Doch auch bei der Wahl der Zulieferer bewegte sich der Firmenpatriarch oft auf dünnem Eis. 1994 deckte eine schwedische TV-Dokumentation auf, dass pakistanische Kinder Teppiche für Ikea knüpften. Auch mit der Umwelt nahm man es nicht immer so genau. Der Einsatz von Tropenholz aus bedrohten Urwäldern sorgte für Kritik.

Marketing über alles

Doch Kamprad hatte immer alles im Griff. Seinem Imperium haben weder Enthüllungen noch die Steuerflucht in die Schweiz nachhaltig geschadet. Schwappten unappetitliche Wahrheiten an die Öffentlichkeit, wurden Verträge gekappt, oder Kamprad entschuldigte sich höchstpersönlich – gerne auch via Brief an seine Mitarbeiter.

Auch das Marketing der Schweden, das seine Kunden kumpelhaft per du anspricht, funktionierte immer tadellos – angeführt vom Unternehmenschef, der den Mythos des familienfreundlichen Möbelhauses selbst personifizierte. Das dazu passende Image pflegte der Milliardär gern und gut – mit Kleidern vom Flohmarkt und Erzählungen, welche Schnäppchen er nachjagt.

Philantropisches Mäntelchen

Ikea beteiligt sich an Entwicklungsprojekten gegen Kinderarbeit, unterstützt Aktionen gegen die Erderwärmung – und spricht darüber. Ein vorzügliches verkaufsförderndes Instrument. Sein wohltätiges Herz entdeckte der geniale Unternehmer spät. Seine Anteile am Unternehmen verschenkte er an seine Stiftungen – für philantropische Zwecke und ganz, ohne groß darüber zu reden. (Regina Bruckner, 5.2.2018)