Die Auseinandersetzung mit Champagner ist nicht nur in literarischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht ergiebig.

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"Wie lieb und luftig perlt die Blase Der Witwe Klicko in dem Glase."

Schon Wilhelm Busch berichtete in seiner "Frommen Helene" von der Wirkung und Bedeutung eines Schaumweins, dessen Marke auch heute noch höchste Bekanntheit genießt. Die Auseinandersetzung mit Champagner ist nicht nur in literarischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht ergiebig:

Eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. 12. 2017 (Rs C-393/16, "Champagner Sorbet") ruft in Erinnerung, dass geschützte Ursprungsbezeichnungen (g. U.) und geschützte geografische Angaben (g. g. A.) umfassend vor einer unzulässigen Ausnutzung des Ansehens der genannten Angaben und vor einer widerrechtlichen Aneignung, Nachahmung oder Anspielung geschützt werden.

Generell gilt darüber hinaus auch im Lebensmittelbereich, dass eine Bewerbung oder Bezeichnung von Produkten mit falschen oder irreführenden Begriffen verboten ist.

Wesentliche Eigenschaft

Dem französischen Winzerverband "Comité Interprofessionel du Vin de Champagne" ist es in dem genannten Fall nicht gelungen, Aldi Süd die Verwendung der weltberühmten g. U. "Champagne" für ein Eisdessert mit dem Namen "Champagner Sorbet" zu untersagen. Das Dessert selbst entsprach zwar nicht den Produktspezifikationen der einschlägigen g. U. "Champagne", enthielt aber zwölf Prozent einer diesen Produktspezifikationen entsprechenden Zutat – nämlich Champagner.

Entscheidend war, ob diese Zutat dem Dessert als wesentliche Eigenschaft einen Geschmack verlieh, der vor allem durch den Champagneranteil hervorgerufen wurde. Mit einem solchen Nachweis könnte Aldi Süd den Vorwurf einer unberechtigten Ausnutzung der g. U. "Champagne" und der Irreführung zu wesentlichen Eigenschaften des Produktes endgültig abwehren.

Das deutsche Gericht im Ausgangsrechtsstreit muss nun prüfen, ob das Dessert tatsächlich als wesentliche Eigenschaft einen Geschmack aufwies, der hauptsächlich von dem Champagner hervorgerufen wurde.

Subjektive Einzelfallprüfung

Nach der EuGH-Entscheidung und den einschlägigen Leitlinien der EU-Kommission kommt es nicht allein auf die Menge der Zutat an, es können auch keine starren Prozentsätze oder Untergrenzen für ihren Anteil festgelegt werden. Damit auf den geschützten Namen in der Kennzeichnung hingewiesen werden darf, muss die Zutat in "ausreichender" Menge vorhanden sein und es darf in dem Lebensmittel auch keine weitere vergleichbare Zutat enthalten sein. Gerichte werden daher in vergleichbaren Streitigkeiten immer eine qualitative und notwendigerweise subjektive Einzelfallprüfung vornehmen müssen.

Solche Entscheidungen werden in der Praxis wohl nur schwer vorhersehbar und kaum überprüfbar sein. Es bleibt unklar, wie man die Feststellungen eines Gerichtes über einen Geschmack, der hauptsächlich von einer wesentlichen Zutat abhängt, rechtlich bekämpfen soll. Den Gerichten wird damit ein weiter Entscheidungsspielraum gegeben: Über Geschmäcker lässt sich bekanntlich trefflich streiten.

Bedenkt man, dass bei der Auswahl von Wein die auf den Flaschen angegebenen geografischen Bezeichnungen im Vergleich zu anderen Kriterien (Preis, Jahrgang, Rebsorte) die Kaufentscheidung stark beeinflussen, wird klar, dass die Werbung mit derartigen Angaben für Lebensmittelunternehmer auch im Bereich bloßer Zutaten attraktiv sein kann.

Die EuGH-Entscheidung betraf primär Produkte aus dem Weinsektor und kann nicht ohne weiteres auf andere Lebensmittel umgelegt werden. Vorstellbar aber ist aufgrund der ähnlichen Rechtslage eine Anwendung bei Spirituosen. Dort gäbe es eine Reihe bekannter geschützter Angaben, die sich theoretisch als Zutaten für Lebensmittel eignen könnten, so etwa "Scotch Whisky", "Grappa", "Brandy de Jerez", "Cognac" oder "Wachauer Marillenbrand". Auch hier liefe die rechtliche Beurteilung auf eine Geschmacksfrage hinaus. (Emanuel Boesch, 5.2.2018)