Über Sebastian Kurz wurde bereits die zweite Biografie geschrieben.

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Wien – Sebastian Kurz ist erst 31 Jahre alt, aber schon erscheint die bereits zweite Biografie über den jüngsten Bundeskanzler aller Zeiten. Der deutsche "Bild"-Journalist Paul Ronzheimer hat einen Außenblick auf den Vorsitzenden der österreichischen Konservativen geworfen. Erstmals nehmen dabei auch Kurz' Eltern zur Entwicklung und politischen Karriere ihres Sohnes öffentlich Stellung.

Ronzheimers Buch, das am Montag erscheint und am Mittwoch in Wien im Beisein des Kanzlers präsentiert wird, bietet keine allzu großen Neuigkeiten, aber den einen oder anderen interessanten Blick in das bisherige Leben von Kurz sowie hinter die Kulissen und Inszenierungen seiner Politik. Ronzheimer zeichnet von Kurz das Bild einer Ausnahmeerscheinung der europäischen Politik. "Er ist nicht nur der jüngste Politiker, dem ein europäisches Land nach dem Zweiten Weltkrieg je seine Zukunft anvertraut hat. Er ist auch der Einzige, der es geschafft hat, eine konservative Partei in seine persönliche Bewegung umzuwandeln und zum Erfolg zu führen. Er ist ein Meister der medialen Inszenierung und schon in so jungen Jahren ein Volkstribun."

Kindheit in Meidling

Kurz' frühe Jahre sind durch ein behütetes und unbeschwertes Leben zwischen Wien-Meidling und dem Bauernhof der Großeltern in Niederösterreich geprägt. Auch die Flüchtlingsthematik spielt damals schon eine Rolle. Die Großmutter stammte ursprünglich aus Novi Sad und musste im Zweiten Weltkrieg fliehen. Nach dem Zerfall Jugoslawiens und dem Krieg im Vielvölkerstaat nehmen die Eltern von Kurz Anfang der 1990er-Jahre bosnische Flüchtlingskinder auf. Gemeinsam wird Deutsch gelernt, gespielt oder ins Hallenbad gefahren. Aufgrund dieser Prägungen habe er "nie einen hetzenden oder träumerischen Ansatz bei der Integration gehabt, sondern immer einen pragmatischen", erzählt Kurz dem Autor seiner Biografie.

Mutter Elisabeth beschreibt ihr Kind Sebastian als herzliches, liebes und süßes, aber total forderndes Kind. Kurz ist ein guter Schüler und maturiert in Geschichte über die Rolle eines Offiziers im Ersten Weltkrieg. Den Lehrern fällt schon damals die meisterliche Rhetorik von Kurz junior auf. Von der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung Anfang der 2000er-Jahre bekommt der damals 14-Jährige noch nicht allzu viel mit. Er interessiert sich noch nicht für Politik, sondern macht lieber Sport mit Freunden.

Jobverlust des Vaters

Einschneidendstes Erlebnis in Kurz' Jugend waren der Jobverlust des Vaters, der als Technik-Ingenieur tätig war, und dessen Kampf um einen neuen Job. "Dieses Erlebnis hat ihn definitiv in dem Glauben gestärkt, in die Politik zu gehen", sagt Vater Josef heute. Geprägt durch das christlich-soziale Wertesystem seiner Familie meldet sich Kurz mit 16 bei der ÖVP. "Wenn er keinen anderen Blödsinn macht, dann soll er halt das tun. Aber ganz ernst genommen habe ich ihn damals nicht", so der Vater.

Nach Matura mit Bestnoten, Bundesheer und Beginn des Jus-Studiums wird Kurz schnell zum Vorzeigejungkonservativen und entspricht für seine Kritiker dem Klischee des "Schnösels". Zielstrebig und kommunikativ erarbeitet er sich seinen politischen Aufstieg selbst. Neben dem Studium gibt er Tennisstunden und kellnert, um sich seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Nach dem Kellnern joggt er nachts nach Hause, weil das Taxi zu teuer ist. Für erstes politisches Aufsehen sorgt er mit der Forderung nach der Einführung der 24-Stunden-U-Bahn am Wochenende. Das Jus-Studium lässt Kurz vor lauter Politik schleifen.

"Schwarz ist geil"

Einen Karriereknick gibt es 2010 nach der missratenen "Schwarz ist geil"-Kampagne bei der Wiener Landtagswahl. Kurz versteht, wie nah Erfolg und Misserfolg beieinanderliegen, und erkennt, wie schnell die Partei jemanden fallen lässt, wenn es nicht läuft, schreibt Biograf Ronzheimer. Ein Jahr später macht der damalige ÖVP-Chef Michael Spindelegger das politische Talent Kurz aber zum Staatssekretär für Integration. Die vernichtende mediale Kritik wird zur nächsten prägenden Erfahrung. Beim offiziellen Foto der umgebildeten Regierung will niemand neben Kurz stehen, an dem nun das Image des peinlichen Jungpolitikers klebt. Erst ein "ZiB 2"-Interview bei Armin Wolf bringt den Umschwung. Das Medientalent Sebastian Kurz wird erstmals richtig deutlich. Der Takt der Medien bestimmt in der Folge auch das Handeln von Kurz, so Ronzheimer.

Das entscheidende Kapitel in Kurz' Biografie ist für den "Bild"-Journalisten aber die Flüchtlingskrise, die im Sommer 2015 an Dramatik zunimmt. Der damals schon zum Außenminister aufgestiegene Kurz spricht sich früh gegen eine Politik der offenen Grenzen und für eine restriktivere Flüchtlingspolitik aus. Er steht damit in der Ecke der Hardliner. Karriere auf Kosten von Flüchtlingen, so der Vorwurf seiner Kritiker. Beim Großteil der Bevölkerung stößt Kurz indes auf Verständnis.

Balkanroute

Gegen den Widerstand von Deutschland und Griechenland betreibt er die Schließung der Balkan-Flüchtlingsroute. "Egal ob Slowenien die Ursprungsidee für die Balkan-Schließung hatte und Ungarn den Zaun nach Mazedonien lieferte – Kurz schafft es, sich selbst als den Mann zu präsentieren, der die Balkanroute geschlossen hatte", schreibt Ronzheimer. Damit legte Kurz den Grundstein für die Übernahme der ÖVP, seinen Erfolg bei der Nationalratswahl und seinen Aufstieg zum Bundeskanzler.

Die größten Probleme bei den Regierungsverhandlungen mit der FPÖ verdankte Kurz übrigens seiner eigenen Partei. Als in den Gesprächen mit der FPÖ schon alles klar war, preschten in der ÖVP jene Männer nach vorn, mit denen Kurz schon gar nicht mehr gerechnet hatte. Mehrere ÖVP-Landeschefs legten sich gegen das von Kurz vorgeschlagene Regierungsteam quer. Ronzheimer: "Es sind die schwierigsten Stunden für ihn seit der Wahl, er führt ein Telefongespräch nach dem anderen, versucht die ÖVP auf seine Linie einzuschwören. Am Ende geht es nur mit einem Machtwort. Kurz beruft sich auf das, was beim Parteitag beschlossen wurde: dass er allein über das Personal bestimmt." (APA, 5.2.2018)