Der nunmehr von Kärnten prämierte Dichter Peter Handke betritt seine Ausstellung: "Ich danke für diese Auszeichnung, die ich überhaupt nicht verdient habe, aber ich kann es nicht ändern."

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Griffen – Dichterleben sind nichts für schwache Nerven. Jahrzehntelang vom Publikum beschimpft und gleich einmal vorbeugend zurückgeschimpft. Für ein ganzes Theaterstück, in dem alle Figuren einander nur anschweigen, in Belgrad ausgebuht und auf völliges Unverständnis gestoßen, und dann der kriegszerrissenen serbischen Landbevölkerung gleichwohl alles humane Verständnis entgegengebracht, gegen die gesamte westliche Welt.

Im Jahr 2006 noch angefeindeter Grabredner Slobodan Milosevics, folgt elf Jahre später plötzlich, nein, nicht der Nobelpreis, aber die Aussicht auf den Orden des Landes Kärnten, und nein, nicht wie Udo Jürgens ausnahmsweise in Gold, sondern gesetzestreu in Silber. Wiederum später, aber nur um eine Krisensitzung des Landtags, die nächste Spitzkehr: jetzt der Landesorden, wirklich in Gold.

Und so kam sie, am Freitagabend im Stift Griffen, die Feierstunde, da wir wohl immer noch zu wenig voneinander wussten. Aber mild, weise und etwas abgekämpft meinte Peter Handke nur: "Ich danke für diese Auszeichnung, die ich überhaupt nicht verdient habe, aber ich kann es nicht ändern."

Der verortete Dichter

In den Festreden davor beharrlich als Schriftsteller tituliert, gab sich Peter Handke konziliant. Er habe sich selbst zwar nie als Schriftsteller bezeichnet, sondern für seine eigentlich unnatürliche und ja auch nur temporäre Tätigkeit des Schreibens stets eben nur das Verbum "schreiben" verwendet. Aber wenn sein Schreiben so in Griffen verortet werde, wie hier in den Ansprachen, könne man ihn vielleicht einen "Ortsschriftsteller" nennen. Gerade, dass der Weltliterat für sich selbst nicht auch noch das Wort Dorfschreiber gebrauchte.

Denn dieser Festakt hatte etwas schön Bescheidenes, was dann auch ganz den Wünschen des geehrten Schriftstellers entsprach. Es gäbe zu seinem Werk zwar gewiss noch ergiebigere Bezugspunkte als seinen Geburtsflecken, beispielsweise der Einfluss Samuel Becketts, aber es war stimmungsvoll.

Da war der von seinen zweisprachigen Volksliedern selbst fast zu Tränen gerührte gemischte Ortschor, da war der jahrzehntelange Griffener Freund Valentin Hauser, da war "Seppi", d. h. Griffens Bürgermeister Josef Müller, und ein in aller hausherrlichen Natürlichkeit einfach glücksstrahlender Monsignore Johann Dersula, lauter persönlich Bekannte. Es war als Vorsichtsmaßnahme verständlich, allerdings dann im Grunde gar nicht nötig, dass sich Peter Handke, zur Vergewisserung seiner zurückgezogenen Lebenswirklichkeit in Chaville, an sein schwarzes Hemd die selbstgestickten grün-blau-violetten Manschetten geheftet hatte.

Vor der Wahl

Der Landeshauptmann Peter Kaiser und der Landeskulturreferent Christian Benger fassten sich einfühlsam kurz. Also halt, das musste einen Monat vor der Landtagswahl natürlich schon gesagt werden, dass ein kleiner Abglanz des Goldes auch auf diese beiden Politiker fällt, indem Benger ein Wahl-Griffener ist und Kaiser außer dem Vornamen noch über eine andere Gemeinsamkeit mit Handke verfügt.

Beide setzten sich vor Jahrzehnten für die Erhaltung des Griffner Sees ein, einer "Lache" (Handke) am Rand der A2. Die gesetzliche Not mit dem Anlassfall drehte Landeshauptmann Peter Kaiser eigentlich geschickt um: Es sei das Land Kärnten nicht nur gebend, indem es den Dichter nunmehr mit seinem höchsten Orden auszeichne. Es sei das Land vielmehr auch beschenkt, indem Peter Handke ihm zu einem neuen Gesetz verholfen habe, dem aus dem bloßen Anlass heraus bereits "ein Hauch von etwas Literarischem" anhafte.

Wie Bürgermeister "Seppi" betonte, habe sich Valentin Hauser um die Aktualisierung der im Stift gezeigten Dauerausstellung so eingesetzt, "als würde sie nicht Peter Handke gelten, sondern eigentlich ihm selbst".

Die im Jahre 2012 inhaltlich von Klaus Amann und gestalterisch von pyramidenkogelkrönenden Architekten Dietmar Kaden konzipierte Ausstellung wurde jetzt aus Anlass von Handkes 75. Geburtstag von der Literaturwissenschafterin Katharina Pektor erweitert und also bis in die Gegenwart ergänzt. Sie kann alles, was eine Literaturausstellung nur können kann.

Die Beschaulichkeit

Die Lektüre von Handkes Büchern ersetzen kann sie somit zwar nicht. Aber sie ermöglicht in einer außerordentlich sensiblen, Handkes Hang zur Beschaulichkeit – das ist positiv gemeint – ganz entgegenkommenden und aufgrund des Ortes auch atmosphärisch überaus authentischen Art die Vertiefung in das Bemühen dieses Autors, den Wirrnissen der Zeit unaufhörlich mit der größtmöglichen Genauigkeit und Behutsamkeit der Sprache entgegenzutreten. Der Besuch lohnt – dann allerdings, wenn es wieder wärmer geworden ist. (Michael Cerha, 5.2.2018)