Ein unaufgeregter Austausch mit Kindern über ihre Online-Erfahrungen ist ein wirksamerer Schutz vor Gewalt aus dem Netz, als lediglich auf technische Mittel zu setzen.

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Die Überschrift klingt gut. Mit einer "Digitalisierungsoffensive Bildung" will die schwarz-blaue Regierung die Medienkompetenzen von Schülern fördern und das Programmieren ab der ersten Schulstufe einführen. So steht es im Regierungsprogramm. Doch wie die Offensive umgesetzt werden soll, bleibt offen.

Für Kinder und Jugendliche gehört die Nutzung digitaler Medien zum Alltag. Damit junge Menschen zu kritischen Usern heranwachsen, Informationen einschätzen und Gefahren erkennen können, braucht es vor allem Medienerziehung und die Bereitschaft Erwachsener, sich mit der Lebenswelt der Generation Smartphone ernsthaft auseinanderzusetzen. Der heute weltweit begangene "Safer Internet Day" ist ein guter Anlass, sich die Situation in Österreich genauer anzuschauen.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich mit Fragen zu digitalen Medien an die Helpline "Rat auf Draht" wenden, steigt dramatisch. Cybermobbing, Internetabzocke oder Computersucht – viele der jungen Anruferinnen und Anrufer sind verzweifelt und haben niemanden in ihrem Umfeld, an den sie sich wenden können. Hier braucht es dringend mehr Information und Prävention. Zum Beispiel an Schulen.

Überfällig sind Gewaltschutzkonzepte für Bildungseinrichtungen, mit Leitlinien zum Umgang mit Cybermobbing. In Deutschland oder Luxemburg gehören sie längst zum Standard.

Untaugliche Mittel

In Österreich setzt man vor allem auf technische Hilfsmittel. Filterprogramme sollen gefördert und zugänglich gemacht werden. Doch die schützen nur bedingt vor ungeeigneten Inhalten. Die meisten verletzenden Inhalte kommen aus dem nächsten Umfeld. Und ein Programm, das vor Mobbing in sozialen Netzwerken schützt, gibt es nicht.

Wichtiger als technische Hilfsmittel sind der Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen, das Thematisieren von Gefahren und das Gespräch über ihre Online-Erfahrungen. Das sollte in der Schule und in der Familie stattfinden. Je normaler dieser Austausch ist, desto höher ist die Chance, dass sich Kinder bei Problemen an Eltern oder andere Bezugspersonen wenden. Ist das Internet in erster Linie mit Verboten belegt, bleiben junge Menschen oft aus Scham mit ihren negativen Erlebnissen allein. Das betrifft besonders das Thema Sexualität.

Gefahr Cybergrooming

"Rat auf Draht" ist seit 30 Jahren die wichtigste Hotline des Landes für Kinder und Jugendliche in Not. Sie ist seit vier Jahren Teil von SOS-Kinderdorf und berät unter der Notrufnummer 147 regelmäßig Kinder und Jugendliche, die Opfer von Cybergrooming geworden sind. Der Begriff beschreibt die verbotene Online-Anbahnung von Sexualkontakten mit Kindern oder Jugendlichen.

Täter geben sich oft als jugendlich aus, schreiben Minderjährige über soziale Medien oder Online-Spiele an und investieren viel Zeit, um das Vertrauen ihrer Opfer zu erschleichen. Sie wollen Kinder zu einem Treffen überreden oder kinderpornografische Aufnahmen von ihnen erhalten. Betroffene schweigen oft aus Angst oder Scham, suchen erst spät Hilfe – und stoßen dabei nicht immer auf Verständnis. Selbst dann nicht, wenn strafrechtliche Grenzen überschritten wurden.

Rechtlich ist die Sache eindeutig: Wer Kinder unter 14 Jahren dazu auffordert, pornografische Fotos von sich zu schicken, sich vor der Webcam auszuziehen, oder wer sie mit der Absicht des sexuellen Missbrauchs zu einem Treffen zu überreden versucht, dem drohen bis zu zwei Jahre Haft. Die Folgen von sexualisierter Gewalt über soziale Medien sind für die Betroffenen ebenso real wie jene von physischer Gewalt. Sie reichen von sozialer Ausgrenzung bis zu Depressionen, selbstverletzendem Verhalten und Suizid.

Die Exekutive ist bemüht, Eltern und Kinder über die Gefahren im Netz zu informieren. Polizistinnen und Polizisten scheinen aber überfordert, sobald sie in einem konkreten Fall einschreiten sollen – gerade beim Delikt Cybergrooming. Viele Beamte kennen die entsprechenden Strafgesetze nicht oder scheitern an der technischen Spurenauswertung. Und nicht selten heißt es, das Kind sei selbst schuld und dumm, wenn es auf so etwas reinfalle. Die Folgen dieser Täter-Opfer-Umkehr sind fatal. Es lässt verzweifelte Opfer und deren Eltern hilflos zurück – die Täter bleiben unbehelligt.

Die Regierung hat angekündigt, die Auswirkungen für Gewaltopfer im Strafrecht künftiger stärker zu berücksichtigen. Als ersten Schritt sollte sie dafür sorgen, dass bestehende Gesetze umgesetzt werden – offline wie online. Es braucht dringend mehr Sensibilisierung und eine bessere Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten rund um neue Deliktformen im Bereich Gewalt im Netz.

Denn die strengsten Strafgesetze nützen den Opfern nichts, wenn diese nicht umgesetzt werden – und halten jene nicht vor strafbarem Verhalten ab, die keine Konsequenzen befürchten müssen. (Katrin Grabner, 5.2.2018)