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Für Aktienmuffel – und dazu zählen die meisten Österreicher – sind die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten der Beweis, dass sie immer schon recht hatten: Die Börse ist ein Kasino, wo vernünftige Anleger nichts verloren haben.

Dabei sind die Aktienkurse auch nach den dramatischen Verlusten der vergangenen Tage immer noch deutlich höher als vor einem Jahr, sogar als noch vor drei Monaten. Der Kursverfall ist eine erwartbare, fast unvermeidbare Korrektur des anhaltenden Anstiegs des Vorjahres. Ein Börsenjahr wie 2017 – mit stetigen Gewinnen und ohne größere Verluste – hat es in der Geschichte noch selten gegeben. Kein Wunder, dass manche Anleger jetzt ihre Gewinne mitnehmen und andere kalte Füße bekommen. Es braucht nicht viele Verkäufer, um die Kurse fallen zu lassen. Es reicht, wenn niemand kaufen will.

Wundern im Nachhinein

Dennoch muss man sich im Nachhinein wundern, warum diese Korrektur nicht schon früher eingetreten ist, vor allem an der Wall Street, wo viele Aktien in Relation zu den Konzerngewinnen stark überbewertet sind. Dass Donald Trumps Steuerreform nicht nur Unternehmensprofite wachsen lässt, sondern auch die Neuverschuldung des Staates, war schon lange bekannt. Dass die US-Wirtschaft diese Konjunkturspritze nicht braucht und daher Inflation und Zinsen wohl steigen werden, ebenso. Finanzmärkte spiegeln längerfristig die Situation der Realwirtschaft wider, aber kurzfristig wirken sie oft höchst irrational.

Und obwohl sich die Wall Street am Dienstag stabilisierte, ist noch kein Ende des Abwärtstrends in Sicht. Unabhängig von den Fundamentaldaten sind auch Verluste von 20, 30 oder 50 Prozent – wie etwa während der Weltfinanzkrise von 2007 bis 2009 – möglich. Das würde noch mehr Anleger verschrecken und ihnen jede weitere Lust auf Aktien- und Fondsinvestments nehmen.

Ein Blick zurück zeigt aber, dass dies ein Fehler sein kann: Wer im März 2009, am Tiefpunkt der Finanzkrise und der Börsenkurse, in US-Aktien eingestiegen ist, hat seither seinen Einsatz vervierfacht – und selbst an der Wiener Börse mehr als verdoppelt. Über ein Jahrzehnt gesehen sind Aktien deutlich lukrativer als Anleihen oder gar ein Sparbuch – und nicht riskanter als Immobilien.

Schlagzeilen ignorieren

Allerdings sind solche Wendepunkte erst im Nachhinein zu erkennen. Am besten steigen daher langfristige Anleger aus, die nicht erst dann kaufen, wenn die Börse boomt, und bei Verlusten nicht in Panik geraten. Wer heute Aktien oder breitgestreute Aktienfonds besitzt, sollte die jetzigen Schlagzeilen einfach ignorieren.

Einer, dem das schwerfallen wird, ist der US-Präsident. Trump hat die Wall-Street-Rally seit seiner Wahl als Beweis für seine Erfolge verkauft. Nun drohen fallende Kurse die sonst guten Nachrichten aus der Wirtschaft zu überschatten. Die kurzfristigen Schwankungen des Aktienmarktes sagen wenig über die wirtschaftliche Lage aus. Kurse fallen manchmal, gerade weil es der Wirtschaft gutgeht. Denn dann steigen die Zinsen, was Anleihen gegenüber Aktien attraktiver macht. Das ist wohl auch der Hauptauslöser des jüngsten Kursrutsches.

Wenn dieser weitergeht, wird Trump noch bereuen, sein politisches Los so eng mit dem der Börse verknüpft zu haben. Am Ende wird er dann behaupten, dass die Finanzmärkte genauso unfair zu ihm seien wie die Medien. Und damit wird er recht haben: Märkte kennen keine Fairness. (Eric Frey, 6.2.2018)