Foto: APA/AFP/esa/nasa/TIM PEAKE

Zürich – Als im 20. Jahrhundert eine große Menge von ozonzerstörenden chlor- und bromhaltigen Kohlenwasserstoffen, darunter etwa FCKW, in die Atmosphäre gelangten, dünnte sich die Ozonschicht in 15 bis 50 Kilometern Höhe rund um den Globus aus. 1989 trat mit dem Montrealer Protokoll ein Verbot dieser langlebigen Substanzen in Kraft, was dazu führte, dass sich die Ozonschicht allmählich wieder regenerierte.

Um die Jahrtausendwende schien der Abbau des stratosphärischen Ozons weitgehend gestoppt. Wissenschafter gingen bisher davon aus, dass sich die globale Ozonschicht bis Mitte des Jahrhunderts vollständig erholen wird – ein Irrtum, wie sich nun zeigt: Die Schicht, die das Leben auf der Erde vor energiereicher Strahlung der Sonne schützt, wird an den Polen zwar wieder dicker, nicht jedoch in tieferen Breitengraden.

Ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftern der ETH Zürich und des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums Davos stellt nun fest, dass trotz des FCKW-Banns die Konzentration von Ozon im unteren Teil der Stratosphäre (15 bis 24 Kilometer), wo die Ozonschicht am dichtesten ist, zwischen Breiten von 60 Grad Süd und 60 Grad Nord weiter zurückgeht. Der Nachweis gelang der Gruppe um William Ball mit Hilfe von Satellitenmessungen der letzten drei Jahrzehnte und hochentwickelten statistischen Methoden.

Ozon bildet sich durch Spaltung von Sauerstoff im Sonnenlicht hauptsächlich oberhalb 30 km Höhe in den Tropen und wird durch die atmosphärische Zirkulation rund um den Globus verteilt.
Grafik: ETH Zürich / IAC

Kein unerwarteter Befund

Ozon entsteht in der Stratosphäre hauptsächlich oberhalb 30 Kilometer über den Tropen und wird durch Luftströmungen um die Erde verteilt. Dass es sich in der unteren Stratosphäre weiter ausdünnt, überrascht die Wissenschafter einerseits, denn ihre Modelle zeigen diesen Trend nicht, und FCKW nehmen weiterhin ab. Andererseits kommt der Befund aber auch nicht gänzlich unerwartet. "Seit 1998 nimmt Ozon in der oberen Stratosphäre als Folge des Montrealer Protokolls wieder deutlich zu. Auch über den Polregionen erholt sich die Stratosphäre", erklärt Ball. Die global gemittelte Ozonsäule blieb aber gemäß Messungen konstant, was in Fachkreisen als Indiz dafür gewertet wurde, dass Ozon in der unteren Stratosphäre zurückgehen könnte.

Nachweisen konnte man den negativen Trend bislang aber nicht. Das liegt unter anderem daran, dass sich Ozon auch in der Troposphäre – unterhalb etwa 15 Kilometer – durch menschliche Aktivitäten vermehrt bildet. "Dieses anthropogene Ozon, das den Sommersmog verursacht, maskiert in den Satellitenmessungen zum Teil die stratosphärische Abnahme", so Ball.

Klimawandel und VSLS

Die Gründe für den anhaltenden Rückgang sind noch unklar. Die Wissenschafter haben aber zwei mögliche Erklärungen: Zum einen verändert der Klimawandel das Muster der atmosphärischen Zirkulation, welche die Luft aus den Tropen schneller und tiefer polwärts transportiert, so dass weniger Ozon gebildet wird. Zum anderen nehmen sehr kurzlebige, chlor- und bromhaltige Chemikalien ("Very Short-Lived Substances", VSLS) zu und könnten vermehrt in die untere Stratosphäre gelangen, etwa durch intensivere Gewitterstürme, wie die Forscher im Fachjournal "Atmospheric Chemistry and Physics" berichten. Ozonzerstörende VSLS sind teils natürlichen, teils großindustriellen Ursprungs. Einige sind Ersatzstoffe für FCKW, zwar weniger ozonschädlich, aber nicht neutral. "Diese kurzlebigen Substanzen könnten ein unzureichend berücksichtigter Faktor in den Modellen sein", sagt Ball.

Welche Folgen der fortgesetzte Ozonschwund in der unteren Stratosphäre für Mensch und Ökosystem hat, lässt sich noch nicht abschätzen. Für Thomas Peter, ETH-Professor für Atmosphärenchemie und Mitautor der Studie, sind die Erkenntnisse zwar besorgniserregend, aber nicht alarmierend: "Der jetzt festgestellte Rückgang ist weit weniger stark als vor Inkrafttreten des Montrealer Protokolls. Dessen Wirkung ist unbestritten, wie die Trendumkehr in der oberen Stratosphäre und an den Polen belegt. Aber wir müssen die Ozonschicht und ihre Funktion als UV-Filter in den stark bevölkerten mittleren Breiten und in den Tropen im Auge behalten." Die Wissenschafter wollen nun mit Hilfe globaler Klimamodelle die Ursachen für den fortgesetzten Ozonabbau in der unteren Stratosphäre klären. (red, 6.2.2018)