Berlin – Der Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sieht die Gefahr durch den radikalen Islamismus in Deutschland noch lange nicht gebannt. "Wir haben ein ständig steigendes islamistisches Bedrohungspotenzial in Deutschland", warnte Münch am Dienstag zu Beginn des Europäischen Polizeikongresses in Berlin. Nach wie vor sei die Bedrohungslage hoch. "Der IS ist sehr anpassungsfähig."

In Europa gebe es ein wachsendes Potenzial an Personen, die man im Auge behalten müsse. "Wir wissen, dass über den Flüchtlingsstrom das Risiko nicht kleiner geworden ist." Es gebe besonders ein erhöhtes Radikalisierungsrisiko unter Flüchtlingen. Sie radikalisierten sich in Deutschland möglicherweise, "wenn sich ihre Träume nicht erfüllen".

11.000 Personen Teil der islamistischen Szene

Trotz des Niedergangs des "Kalifats" der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sei keine Entspannung der Lage absehbar. Es gebe 743 Gefährder in Deutschland, 2013 waren es noch 139. Die islamistische Szene umfasse 11.000 Personen in Deutschland. 970 Menschen seien aus Deutschland in das "Kalifat" in Syrien und Irak ausgereist. "Wir müssen davon ausgehen, dass es auch zu Rückkehrern kommen wird." Internationale Netzwerke seien durch Reisebewegungen entstanden und unterstützt worden. Man merke kaum noch die Propaganda der Terrormiliz, aber es gebe ein virtuelles Netzwerk, in denen "Anschlagsbereite" unterstützt würden, sagte Münch.

Münch forderte für den Kampf gegen den islamistischen Terror eine stärkere Vernetzung der Sicherheitsbehörden in Bund und Land sowie auf europäischer Ebene. Es brauche zudem einen einheitlichen Rechtsrahmen in den Polizeigesetzen der Länder und ein einheitliches Informationsmanagement der Polizei. Münch forderte zudem eine "IT-Offensive der Polizei". "Wir müssen cyberfähiger werden."

Größte Fachkonferenz für Sicherheit in Europa

Rund 1.300 Sicherheitsexperten aus 60 Nationen beraten beim zweitägigen Polizeikongress in Berlin die bessere Verzahnung von Sicherheitsbehörden. Das Treffen ist nach Veranstalterangaben die größte internationale Fachkonferenz für innere Sicherheit in Europa.

Im Kampf gegen Kinderpornografie forderte Münch vor dem Kongress zudem eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. Im vergangenen Jahr hätten in 8.400 mutmaßlichen Kinderporno-Fällen die Täter nicht ermittelt werden können, weil den Ermittlern die Daten nicht zur Verfügung gestanden hätten, sagte Münch am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Insbesondere aus den USA erhielten die deutschen Behörden im Jahr mehrere Tausend Hinweise auf mögliche Fälle. Die Ermittlungen scheiterten dann häufig daran, dass in Deutschland nicht mehr gespeichert sei, welcher Computer zur Tatzeit hinter eine bestimmten IP-Adresse stand. (APA, 6.2.2018)