Es war vor rund 15 Jahren in einem kleinen Restaurant im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn. Claus Meyer und sein Partner René Redzepi hatten die Idee geboren, die nordische Küche neu zu erfinden. Dabei setzten sie auf regionale Grundprodukte und alte Küchentraditionen. Der Erfolg schien ihnen recht zu geben. Das Noma wurde weltbekannt und viermal zum besten Restaurant der Welt gekürt. Nachdem das Sternerestaurant geschlossen und zwischenzeitlich in anderen Ländern seine Zelte aufgeschlagen hatte, eröffnet es dieser Tage an neuer Adresse in Kopenhagen mit angeschlossener Urban Farm.

Skandinavien braucht das Noma längst nicht mehr, um international Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Hauptstadt Dänemarks ist heute eine der spannendsten Gourmetmetropolen Europas, die Nordische Küche eine Bewegung, die international etabliert ist. Doch was kommt danach? Kann eine neue Küchenbewegung aus der Alpenregion kommen? Einige Spitzenköche arbeiten jedenfalls mit Nachdruck an einer Alpinen Küche, die Österreich, Südtirol und die Schweiz zum internationalen Gourmet-Hotspot machen und Gutesser aus der ganzen Welt anziehen soll.

Die Küche aus den Alpen ist gefragt – ob sie in Zukunft internationale Gourmets anlocken wird, ist ungewiss.
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Dabei geht es nicht etwa um Schnitzel, Kässpätzle oder Knödel. Vielmehr soll die Idee einer gehobenen "Alpine Cuisine" umgesetzt werden. Spitzenköche kochen ausschließlich mit Produkten aus dem alpinen Raum und denken die österreichische Küche neu. Doch dieses Vorhaben scheint schwieriger als gedacht. "Die Landwirtschaft in den alpinen Bereichen ist tendenziell auf dem Rückzug. Bauern werden zwar gefördert – damit die Landwirte eine Alpine Küche mit Produkten versorgen könnten, bräuchte es aber andere Mengen", sagt Autor und Kulinarikexperte Christian Seiler.

Neben Spitzenköchen, die mit viel Enthusiasmus hinter der Idee einer neuen Küchenbewegung stehen, gebe es aber auch Restaurantbetreiber, die auf der alpinen Welle mitschwimmen wollen. "Viele Restaurants versuchen, sich das Label der Alpinen Küche zu verpassen. In Wirklichkeit ist es aber wie mit modernen Trachten. Sie sind sehr edel verarbeitet und sehen auf den ersten Blick wie echte Trachten aus, sind aber letztendlich nur ein Imitat. Die Alpine Küche ist oft nur eine Kulisse. Sie ist ein Trend, der sich gut verkauft und in den Medien gut funktioniert", sagt Seiler.

Überzeugung

Entmutigen lassen will man sich davon allerdings nicht. Eine Vereinigung von Küchenchefs hält an der Idee fest, dass jetzt die richtige Zeit ist, die Alpine Küche auf ein neues Level zu heben. Einer der Hauptinitiatoren ist Dominik Flammer. Der Schweizer Autor und Foodscout bildete bereits 2012 in seinem Buch "Das kulinarische Erbe der Alpen" einzigartige Produzenten und Landwirte der Schweiz, Südtirols und Österreichs ab. Und er bringt immer wieder Spitzenköche und Produzenten zusammen, wie letztes Jahr beim "Alpengipfel" auf Schloss Schauenstein in der Schweiz.

"Mein Ziel war es nie, einen Trend zu starten. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass die Alpine Küche nachhaltig ist. Im 20. Jahrhundert kamen viele Touristen nach Österreich und in die Schweiz. Wir haben uns kulinarisch an die Herkunftsländer dieser Gäste angepasst. Die heutige Kochelite hat aber die regionale Vielfalt erkannt", sagt Flammer. Die Nordische Küche dürfe man nicht als Vorbild nehmen. "Wir steigen auf einem sehr hohen Niveau ein. Das war bei der Nordischen Küche anders, weil man quasi bei null begonnen hat.

In Österreich gibt es einige Betriebe, die sich bereits der alpinen Küche verschrieben haben.
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Die Voraussetzungen scheinen also sehr gut zu sein. "Dass in Österreich exzellent und eigenständig gekocht wird, hat sich international leider noch nicht ausreichend rumgesprochen. Diese Positionierung muss auch vom Staat und den Ländern unterstützt werden. Die neue Regierung scheint das auch umsetzen zu wollen. Wir sind gespannt, wie es konkret weitergehen wird", sagt Klaus Buttenhauser. Der Journalist und Marketingexperte gründete den Kochcampus, einen Verein, in dem sich Köche, Winzer und Produzenten austauschen, sich vernetzen und Visionen umsetzen.

Gerade hat er Richard Rauch eingeladen, um in der Ölmühle Fandler in Pöllau zu kochen. Er werkt dabei aber nicht ausschließlich mit Ölen von Fandler. Es ist der Trub, der es dem Küchenchef angetan hat. Dieses dickflüssige Nebenprodukt des Öls kann hervorragend weiterverarbeitet werden. Rauch verrührt ihn mit Miso zu einer Marinade und bestreicht frische Amurkarpfenfilets damit. Während der Fisch im Ofen gart, gießt Rauch einen Dashi-Fond mit gekochten Hahnenkämmen in einen tiefen Teller. Der Karpfen und frittierte Hahnenkämme komplettieren das Gericht. So oder so ähnlich könnte also die Weiterentwicklung der österreichischen Küche aussehen.

Spitzenkoch Richard Rauch interpretiert die österreichische Küche gerne neu.
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Er arbeitet dabei mit ungewöhnlichen Produkten wie dem Presskuchen, der bei der Ölherstellung entsteht.
Foto: Rene Strasser

Geteilte Freude

Richard Rauch teilt seine Ideen auch mit Kollegen. "Nicht nur wir Köche müssen uns vernetzen, auch die Produzenten sollten sich austauschen. Denn im Mittelpunkt steht das Produkt. Aber wir sind auf einem guten Weg", sagt Rauch. Neben Spitzenköchen wie Andreas Döllerer und Thomas Dorfer ist auch Heinz Reitbauer eine treibende Kraft des Kochcampus.

Der Sternekoch glaubt, dass es ein langfristiges Ziel sein kann, die österreichische und damit auch die Alpine Küche international bekanntzumachen. "Es geht nicht darum, einen Hype zu erzeugen, der vielleicht zehn Jahre anhält. Das kennen wir ja bereits von anderen Trends. Wir haben den Vorteil der klein strukturierten Landwirtschaft mit qualitätsorientierten Betrieben und Menschen, die sich dieser Linie verschrieben haben. Das müssen wir weiterverfolgen. Ohne regionale Produkte gibt es keine Landesküche", sagt Reitbauer. (Alex Stranig, RONDO, 13.2.2018)

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