Doris Knecht hat schlaflose Nächte wegen der Frage der Rentabilität ihrer Hallenbad-Jahreskarte. Nach frustrierenden Erlebnissen beim Kraulen wollte sie eine Zeitlang gar nicht mehr schwimmen.

Foto: Irina Gavrich

Schwimmen kann ich gut. Schwimmen war lange Jahre die einzige Form von Sport, die ich mit einer gewissen Regelmäßigkeit betrieb. Ich besaß mehrere Jahreskarten für das Stadthallenbad, und die meisten davon rentierten sich. Sie benahmen sich nicht wie frühere Abonnements in unterschiedlichen Ertüchtigungsstätten, deren Existenz mir außerhalb der Öffnungszeiten in schlaflosen Nächten mein Gewissen quälten und an die ich mich am nächsten Tag trotzdem nur noch mit Gleichgültigkeit erinnerte, weil die Sorgen, die man nachts hat, am hellen Tag ja oft nicht mehr so fundamental sind.

Bei den Stadthallenbad-Jahreskarten war es nicht so. Ich kann gut schwimmen, zügig, ausdauernd, es langweilt mich nicht, ich kann dabei gut denken und vermisse höchstens ein Notizbuch, in dem ich diese Gedanken notieren könnte, oder ein bisschen Musik, wobei ich jetzt gehört habe, dass wasserdichte iPods längst erfunden wurden. 30 Stadthallenbad-Längen sind jedenfalls Minimum, 40 sind gut, manchmal gehen sich sogar 50 aus.

Kein Kraulen

Das Einzige, was das Vergnügen trübte: Ich konnte nicht kraulen. Brustschwimmen ja, zügig und ausdauernd; noch besser, seit mir einer, der das von Vera Lischka gelernt hatte, gezeigt hat, wie man noch mehr aus den Brustzügen herausholt. Aber ich konnte nicht kraulen.

Ich beschloss, es zu lernen. Ich meldete mich in einer Schwimmschule für einen Kurs an. Kraulkurs basic, 13 Einheiten. Weil es sich ja um den Beginn einer großen neuen Schwimmleidenschaft handelte, kaufte ich mir gleich vor dem ersten Kurs eine Jahreskarte. Im Kraulkurs waren Männer und Frauen, junge und ältere.

Die erste Stunde begann vielversprechend: Der freundliche junge Lehrer hatte eine überzeugende Oberkörpermuskulatur, ließ uns ein paar Längen schwimmen und teilte uns in Gruppen ein. Ich kam in die Gruppe der Besten. Wir lernten erste Grundlagen. In der zweiten Stunde wurde der Aneignungserfolg der Grundlagen überprüft, der freundliche Schwimmlehrer versetzte mich in die Gruppe der etwas weniger Guten. Die dritte Stunde widmete ich dem Verheddern von Gliedmaßen und fand mich in der vierten Stunde in der Gruppe der Zweitschlechtesten. In der fünften Stunde wurde ich gleich zu Beginn in die Hoffnungslosen-Gruppe versetzt, ich verbrachte die Stunde damit, dem Tod durch Ertrinken zu entgehen; von unter Wasser konnte ich das Augenrollen des Schwimmlehrers sehen. In der sechsten ging ich nicht mehr hin.

Jetzt liege ich manchmal in der Nacht wach und denke an meine Jahreskarte. Morgen wäre ein guter Tag, mal wieder schwimmen zu gehen; brustschwimmen kann ich ja super. (Doris Knecht, RONDO, 15.2.2018)

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