Ronald Koeman und Dick Advocaat, sein Vorgänger im Amt des Bondscoaches.

Foto: imago/Pro Shots/van de Pol

1988: Koeman (Mitte) und Berry van Aerle stemmen im Münchner Olympiastadion den EM-Pokal.

Foto: imago/passage

Zeist – Ronald Koeman ist der neue Teamchef der niederländischen Fußball-Nationalmannschaft, am Dienstag wurde der 54-Jährige als Nachfolger von Dick Advocaat vorgestellt. Dass er den Posten irgendwann übernimmt, schien unausweichlich – nach mehreren vergeblichen Avancen des niederländischen Verbandes (KNVB) ist es nun soweit gekommen. Der 78-fache Nationalspieler war der Wunschkandidat von KNVB-Generaldirektor Eric Gudde. Beide hatten bereits bei Feyenoord Rotterdam zusammengearbeitet.

Defensivmann mit Hadern

Koeman hat in seiner Laufbahn alles bereits gesehen, vielleicht mit Ausnahme eines Betreuerjobs bei einem internationalen Topklub. Er spielte und coachte höchst erfolgreich bei allen drei Größen in seiner Heimat – Ajax, PSV und Feyenoord. Er trug Oranje, stand in jener Elf, die 1988 Europameister wurde und damit den bisher einzigen Titel für die Niederländer gewann. Koeman war einer der torgefährlichsten defensiven Mittelfeldspieler aller Zeiten, sein ungemein scharfer Schuss war gefürchtet. Mit Barcelona, wo er von Johan Cruyff als Libero eingesetzt wurde, dominierte Koeman zu Beginn der 1990er Jahre Europa.

Allerdings: Die Bilanz Koemans als Trainer auf internationalem Parkett fällt nicht übermäßig eindrucksvoll aus. Weiter als ins Viertelfinale der Champions League brachte es keine seiner Mannschaften. Der letzte Titelgewinn liegt beinahe zehn Jahre zurück, der niederländische Supercup 2009 mit AZ Alkmaar. "Ich hatte immer die Ambitionen, Bondscoach zu werden. Ich bin superglücklich und es ist für mich eine absolute Ehre, für die kommenden Jahre der Trainer der Elftal zu sein", meinte Koeman bei seiner Präsentation.

Die neue Aufgabe ist herausfordernd, zuletzt erwies sich die Bondscoachschaft eher als ein Schleudersitz. Seine Vorgänger Advocaat, Danny Blind und Guus Hiddink, der 2014 Koeman vorgezogen worden war, können ein Lied davon singen. Nach verpasster EURO 2016 in Frankreich sind Niederländer auch bei der WM 2018 in Russland nur Zuschauer. Der letzte Erfolg datiert aus 2014, als die Elftal in Brasilien mit Platz drei überraschte.

Neuerfindung wie einst bei Feyenoord

Koeman, im Oktober nach wenigen Monaten als Teammanager des FC Everton entlassen, muss eine neue Mannschaft formen. Er hat dafür zwar Talente, jedoch keine Weltklassespieler mehr zur Verfügung. Das verlangt harte Entscheidungen, das Etablieren einer Hierarchie und die Einübung einer Spielweise, die gegen auf dem Papier überlegene Gegner Erfolge verspricht. Koeman: "Wenn ich keine Perspektive sehen würde, hätte ich den Job nicht angenommen."

Die Umstände sind also ähnlich, wie bei Feyenoord – den Traditionsklub aus Rotterdam konnte Koeman ab 2011 nach langer Agonie wieder zum Leben erwecken. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage war damals die Arbeit mit Jungen alternativlos. Bereits 2014 war Koeman Kandidat des KNVB. Damals entschied sich der Verband jedoch für Routinier Hiddink, die Rolle des Assistenten lehnte Koeman ab. Nun erhielt er einen Vertrag bis zur WM 2022 in Katar.

Dogmen sind seine Sache nicht

Koeman wird alte Zöpfe abschneiden müssen, die Niederländer haben zu lange an überholten Konzepten und Strukturen festgehalten. Hier ist auch der ehemalige Profi Nico-Jan Hoogma gefordert, der als neuer Sportdirektor für neue Strukturen im Verband und in der Nachwuchsschulung sorgen soll. Der 49-Jährige gilt als Innovator, wirkte zuletzt lange Jahre als Sportdirektor beim Ehrendivisionär Heracles Almelo.

Häufig wirkten niederländische Mannschaften in jüngerer Vergangenheit zu leicht ausrechenbar. Längst haben die Konkurrenten Mittel und Wege gefunden, um die dogmatisch erstarrte klassische Offensivmanier im 4:3:3 im Keim zu ersticken. Einen Plan B oder C gab es nicht.

Koeman eilt der Ruf voraus, als Trainer nicht das unbedingte Risiko zu gehen. Schönheitspreise muss er nicht gewinnen. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die verfügbare Spielergruppe, den Systemwechsel scheut der Pragmatiker Koeman nicht. Sein 5:3:2 bei Feyenoord galt als Vorbild für Louis van Gaal, der diese Formation 2014 bei der WM in Rio in der Elftal durchsetzte – sehr zum Ärger der Traditionalisten.

Ernst wird es für Koeman erstmals in der neuen Nations League. Dort treffen die Niederländer ab Herbst auf Deutschland und Frankreich. (bausch – 6.2. 2018)