EU-Parlamentspräsident Tajani könnte Italiens Premier werden.

Foto: AFP / Frederick Florin

Noch üben sich die meisten Abgeordneten des EU-Parlaments in nobler Zurückhaltung, wenn man sie auf die "heißeste" und politisch heikelste Personalentscheidung anspricht, die in der Union anstehen könnte. Kein Geringerer als Präsident Antonio Tajani gilt als chancenreicher Kandidat für das Amt des nächsten italienischen Ministerpräsidenten. Die Wahlen in seinem Heimatland finden im März statt.

Der Partei des regierenden Sozialisten Paolo Gentiloni droht nach Umfragen eine Niederlage. Die konservative Forza Italia dürfte es als Mehrheitspartei zufallen, mit der Lega von Matteo Salvini eine Regierung zu bilden und den Premier zu stellen. Forza-Gründer Silvio Berlusconi darf selbst nicht kandidieren, der 80-jährige Tycoon und Ex-Premier hat bei einem Besuch in Brüssel nach Treffen mit Tajani und Kommissionschef Jean-Claude Juncker gesagt, wen er für den Geeignetsten hält: den EU-Parlamentspräsidenten.

Vehement antieuropäisch

"Natürlich wäre das eine absolut unerfreuliche Sache, wenn das so kommt" , sagte die Delegationsleiterin der SPÖ, Evelyn Regner, am Dienstag dazu in Straßburg. Sie könne den Präsidenten nur "auffordern, so proeuropäisch wie möglich zu sein". Für ÖVP-Delegationschef Othmar Karas, Fraktionskollege Tajanis, ist das "eine offene Angelegenheit"; sicher sei nur, dass der Italiener nicht für ein Mandat im italienischen Parlament kandidiert. Man müsse die Entscheidung abwarten.

So geht das länderübergreifend durch die Reihen der EU-Mandatare. Grund ist, dass die Lega unter Salvini eine vehement antieuropäische Linie vertritt. Sie ist – wie die FPÖ – neben der Partei von Front-National-Chefin Marine Le Pen in der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF), stellt die Union infrage. Salvini fällt immer wieder durch besonders derbe Sprache auf. So sagte er zur Migration von Flüchtlingen 2016 in Straßburg öffentlich, es finde "ein Völkermord" an der europäischen Bevölkerung statt. Der Präsident selbst will sich zu all dem nicht direkt äußern, er betont nur, dass "meine Zukunft in Europa liegt" – was immer das heißt –, auch im Amt des Premiers.

Für Beobachter ist klar, dass Tajani, als Berlusconi seit drei Jahrzehnten verbundener politischer "Ziehsohn", einem Ruf aus Rom folgen wird, wenn die Forza Italia gewinnt. Ihm verdankt er seine ganze Europakarriere als Abgeordneter und EU-Kommissar.

Wechsel bei Sozialdemokraten

Auch in der Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) steht ein Wechsel an der Spitze bevor. Vorsitzender Gianni Pittella bewirbt sich um einen Sitz im italienischen Senat. Sein Nachfolger soll Udo Bullmann werden, ein Deutscher, der schon jetzt als geschäftsführender Fraktionschef "die Sache sehr gut macht", wie Regner bestätigt. Bullmann sei "der Favorit".

Das Personenkarussell ist Vorspiel auf die EU-Wahlen 2019, Parlament und Kommission werden neu besetzt. Das Plenum spricht sich dafür aus, das System EU-weiter "Spitzenkandidaten" der Parteifamilien beizubehalten, der Wahlsieger wird dann Kommissionschef. "Da geben wir keinen Millimeter nach", betont Karas zu Wünschen einiger Premiers, die den Präsidenten der Kommission gerne selber auswählen würden. (Thomas Mayer aus Straßburg, 7.2.2018)