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SPD-Chef Martin Schulz war am Dienstag bei der CDU. Dort wurde die Schlussrunde eingeläutet.

Foto: Reuters / Hannibal Hanschke

Gleiche Besetzung, gleiche Beteuerungen, aber ein anderer Ort. Am Dienstag, jenem Tag, an dem nach ursprünglicher Planung schon der Koalitionsvertrag vorgestellt werden hätte sollen, trafen sich die Verhandler nicht mehr in der SPD-Zentrale, wo sie seit dem Wochenende getagt hatten.

Es stand ein Ortswechsel an, man kam am Dienstag im CDU-Hauptquartier zusammen. "Die Nacht wird lang", prophezeite CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Und Kanzlerin Angela Merkel erklärte einmal mehr, warum sie eine stabile Regierung wolle: "Wir dürfen das Zentrale nicht aus dem Auge verlieren, wenn wir uns die unruhigen Börsenentwicklungen der letzten Stunden anschauen. Wir leben in unruhigen Zeiten."

SPD-Chef Martin Schulz versuchte derweil Zuversicht zu verbreiten: "Ich habe guten Grund anzunehmen, dass wir heute zum Ende kommen." Erneut waren Arbeitsgruppen parallel am Werk. So wurde der Koalitionsvertrag schon geschrieben, während die Kollegen noch um die letzten Kompromisse bei den befristeten Arbeitsverträgen und den Ärztehonoraren rangen.

Am Anfang des Vertrags sollte das Kapitel Europa stehen und mit "Ein neuer Aufbruch für Europa" übertitelt werden. Union und SPD bekennen sich dazu, dass sie der EU und "insbesondere" auch dem Europäischen Parlament in ihrer Handlungsfähigkeit unter die Arme greifen möchten. "Wir wollen die EU finanziell stärken, damit sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen kann", heißt es in dem Entwurf. Und: "Dafür werden wir bei der Erstellung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens Sorge tragen." Deutschland sei bereit, mehr Beiträge zu zahlen.

Am Nachmittag umfasste der Koalitionsvertrag bereits 167 Seiten, die Präambel fehlte aber noch.

Anträge in Karlsruhe

Vor allem in der SPD trieb aber bereits ein anderes Thema die Beteiligten um. Geplant ist ja, nach Ende der Koalitionsverhandlungen noch die 440.000 SPD-Mitglieder über den Vertrag abstimmen zu lassen.

Beim Verfassungsgericht liegen fünf Anträge zum Stopp der Befragung durch einstweilige Anordnung vor. Alle Beschwerdeführer argumentieren, es sei verfassungswidrig, wenn die SPD vor Eintritt in die Regierung noch ihre Mitglieder befragen wolle.

Doch das Höchstgericht hat offenbar keine Bedenken. Zwei der fünf Anträge wurden am Dienstag ohne Begründung abgewiesen. Ein solches Basisvotum hatte es auch 2013 gegeben. Bevor die SPD in die große Koalition unter Führung von Merkel ging, legte sie den Koalitionsvertrag den Mitgliedern vor. SPD-Chef war damals Sigmar Gabriel. Seine Rechnung ging auf, er bekam die Zustimmung.

SPD nicht Teil des Staates

Auch damals wollten Bürger die Abstimmung verhindern, doch die Richter folgten ihnen nicht. Sie argumentierten, dass man mit einer Verfassungsbeschwerde nur staatliches Handeln angreifen könne. Die SPD als Partei sei aber nicht Teil des Staates. Zudem könnten Parteien grundsätzlich selbst entscheiden, wie sie ihre Willensbildungsprozesse vorbereiten.

Das freie Mandat der SPD-Abgeordneten sahen die Richter auch nicht bedroht, da die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion selbst durch das Votum nicht zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten gezwungen wären. Und überhaupt: Es hielt die Eingaben für nicht zulässig, weil vor einer Verfassungsbeschwerde erst einmal Betroffenheit vorliegen müsse, damit das Verfassungsgericht überhaupt tätig wird.

Auch diesmal sehen Verfassungsexperten keine Chancen, um einen SPD-Mitgliederentscheid zu stoppen. An diesem teilnehmen dürfen all jene, die bis Dienstag, 18 Uhr, im Mitgliederverzeichnis standen. Die Jusos, die besonders heftig gegen die große Koalition kämpfen, hatten Skeptiker des Bündnisses aufgefordert, noch schnell einzutreten und dann dagegen zu stimmen.

"Tritt ein, sag Nein"

"Tritt ein, sag Nein" lautet der Slogan dazu. Einige Landesverbände vermeldeten tatsächlich viele Neuzugänge: 3.000 in Bayern, je rund 1.000 in Berlin und Niedersachsen. Insgesamt traten seit Jahresbeginn 24.339 Neumitglieder ein. Damit dürfen nun 463.723 Sozialdemokraten darüber entscheiden, ob die Koalition zustande kommt.

Zum Schluss ging es ja auch noch um das Personal, und da lastete wieder einiger Druck auf Schulz. Am Dienstagnachmittag war die Rede davon, dass natürlich bekanntgegeben werde, welche Partei welche Ministerien bekommt, dass Schulz aber für die SPD-Seite keine Namen nennen und zunächst den Mitgliederentscheid abwarten wolle.

Von dieser Möglichkeit waren viele Sozialdemokraten aber nicht begeistert. Sie verlangten, man müsse den Mitgliedern reinen Wein einschenken – auch und vor allem über die Personalie Martin Schulz selbst. Man müsse also darlegen, ob der Parteichef nun ins Kabinett geht oder lieber "nur" weiterhin die SPD führt. (Birgit Baumann, 6.2.2018)