Auf dem Berg Gariwang tragen Skifahrer und Skifahrerinnen ihre olympischen Rennen aus. Für die Abfahrt (Bildmitte) wurden tausende Bäume gefällt.

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Pyeongchang – Wenn Aksel Lund Svindal, Beat Feuz und Matthias Mayer am 11. Februar in der Abfahrt von Jeongseon um die wohl begehrteste alpine Goldmedaille kämpfen, wird vom "Kettensägenmassaker" am heiligen Berg auf den ersten Blick nichts zu sehen sein. Dann liegen die Stümpfe jahrhundertealter Bäume auf der "Olympic Downhill" verdeckt unter eineinhalb Meter Kunstschnee. Der wohl umstrittenste Wettkampfort der Winterspiele von Pyeongchang wird wie eine normale Skipiste aussehen.

Die Strecke am Mount Gariwang im Taebaek-Gebirge ist aber alles andere als gewöhnlich. Links und rechts der Piste überzieht dichter Wald die sanften Hügel, die auch im Winter weitgehend schneefrei sind. Immerhin ist es kalt genug für die Beschneiung. Auch deshalb fiel die Wahl auf diesen Ort, als Pyeongchang einen Berg für die Olympia-Abfahrt suchte. Außerdem erfüllt der 1561 Meter hohe Gariwang als einziger Berg im Gebiet Pyeongchang die Anforderungen des Weltverbandes Fis, die für Abfahrten 800 Meter Höhenunterschied vorschreiben.

Die Sache hat aber einen Haken: Der Wald ist Naturschutzgebiet, weist den weltweit größten Bestand an Wangsasre-Birken auf und ist Rückzugsgebiet geschützter Tierarten. König Sejong der Große ließ schon im 15. Jahrhundert am Gariwang exklusiv für den Palast Ginseng anbauen. Der Zugang zum Berg wurde streng kontrolliert, Flora und Fauna entwickelten sich fast ungestört. Die Bäume überstanden sogar die Rodungen in Kolonialzeit und Koreakrieg – dann kam Olympia.

Die Organisatoren versprachen "nachhaltige Winterspiele". Eine Verwendungsidee der Piste für die Zeit nach Olympia haben sie aber nicht. Ein Plan zur Wiederaufforstung erwies sich als zu teuer, weshalb die 2852 Meter lange, 160 Millionen Euro teure Piste wohl einfach der Natur überlassen wird.

Pistenbauer Russi: "Glaubensfragen

Als Pistenbauer Bernhard Russi den Berg 2001 erstmals auf Tauglichkeit prüfte, beschritt er "Trampelpfade, die wohl einzig von Tieren oder Förstern stammten", wie er der Schweizer Revue erzählte. Mehr war da nicht. Nur Wald. Auch Naturschützer waren dabei, schließlich gehe es hier um "Glaubensfragen", sagt Russi. Für die einen sei Pistenbau "Blödsinn", andere wie er selbst meinen, "dass die Natur in einem gewissen Maß dazu da ist, damit sich der Mensch in ihr bewegen kann". Das erfordere Eingriffe.

Laut olympischer Charta, Regel 2, Punkt 13 ist es Aufgabe des IOC, "einen verantwortungsvollen Umgang mit Umweltbelangen zu unterstützen" und zu verlangen, dass die Spiele "in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen veranstaltet werden". Am Gariwang, sagt Kim Choony von der Organisation Friends of the Earth South Korea, sei dieser Grundsatz "für sechs Tage Skirennen" mit Füßen getreten worden.

Im Spiegel spricht sie von einem "Kettensägenmassaker". Laut Regierung sollen rund 50.000 Bäume gefallen sein, Aktivisten zählten über 120.000 – ein lukratives Geschäft für die beauftragte Firma. Alle Versuche, das OK von Alternativen zu überzeugen, schlugen fehl. Für die Aktivisten von Green Korea United eine "Schande".

"Magic Tree"

Das OK verweist darauf, dass die Strecke mehrmals verändert worden sei, "um Natur zu erhalten und Eingriffe zu minimieren". Pistenbauer Russi strich die Frauenpiste, Männer und Frauen fahren auf nahezu identischer Strecke, das Programm musste deshalb umgestellt werden. Gern erzählt Russi die Geschichte vom "Magic Tree". Eigens für den magischen Baum, der Frauen einst geholfen haben soll, schwanger zu werden, ließ er eine weitere Kurve einbauen. Magie und Olympia – das passt aus Sicht der Veranstalter viel besser zusammen als Raubbau an der Natur. (sid, red – 7.2. 2018)