Wien – Gezieltes Dehnen oder Stauchen kann die Eigenschaften eines Materials verändern und es für bestimmte technische Anwendungen nutzbar machen. Physiker der Technischen Universität Wien haben nun eine neue Methode gefunden, mit der sich die inneren Verformungen zweidimensionaler Materialien genau vermessen lassen. Ihre Ergebnisse präsentierten die Forscher im Fachjournal "Nature Communications".

Hintergrund

In einem Kristall – etwa aus Silizium – hat jedes Atom seinen fixen Platz. Staucht oder dehnt man ihn, ändern sich die Abstände zwischen den Atomen und damit auch die elektronischen Eigenschaften des Materials. In der Halbleitertechnik nutzt man diesen Effekt, indem man Siliziumkristalle gezielt so wachsen lässt, dass sie dauerhaft unter innerer mechanischer Spannung stehen und so die gewünschten Eigenschaften aufweisen.

Während ein dreidimensionaler Kristall allerdings nur um etwa ein Prozent gestaucht werden kann, bevor er bricht, sind zweidimensionale Varianten wie Graphen oder Molybdändisulfid mit seiner spezifischen Schichtstruktur deutlich flexibler. Dabei handelt es sich um atomare Netze, die nur wenige Atome dick sind und eine regelmäßige, kristalline Struktur aufweisen. Solche Materialien lassen sich um bis zu 20 Prozent dehnen, ohne dauerhaft Schaden zu nehmen. Entsprechend stark können auch ihre elektronischen Eigenschaften verändert werden.

Messprobleme

Bisher musste man für die Messung solcher Verspannungen allerdings auf komplizierte Messverfahren zurückgreifen. So lässt sich die Deformation etwa aus dem Bild eines Elektronenmikroskops oder auch mit optischen Methoden bestimmen. "Allerdings sind diese Messungen meist invasiv oder liefern nur den Betrag, nicht aber die Richtung der Verspannung", erklärte der Leiter der Forschergruppe, Thomas Müller, vom Institut für Photonik der Technischen Universität (TU) Wien.

Die neue Messmethode basiert auf der sogenannten Frequenzverdopplung, ein bereits länger bekannter Effekt, bei dem ein Material, wenn es mit Laserlicht einer bestimmten Farbe bestrahlt wird, eine andere Lichtfarbe zurückstrahlt. Dabei werden jeweils zwei auftreffende Photonen zu einem Photon mit der doppelten Frequenz vereint.

Wie die Forscher herausfanden, hängt die Effizienz des Effektes stark von der lokalen Verformung des Materials ab und aus der Polarisationsrichtung des Lichtes lässt sich zusätzlich auch noch die Richtung der Verspannung bestimmen. "Man würde glauben, dass es so etwas schon längst gibt, denn der Effekt der Frequenzverdopplung ist schon lange bekannt", sagte Müller. "Dennoch sind wir jetzt die Ersten, die ihn zur vollständigen Charakterisierung von Verspannungen genutzt haben."

Anwendung

Zur Demonstration ihrer Methode haben die Forscher eine Schicht Molybdändisulfid über eine vorgefertigte Mikrostruktur gelegt, wodurch sich ein kompliziertes Muster aus lokalen Verspannungen ergab. Darauf hin tasteten sie das Material Punkt für Punkt mit dem Laser ab und konnten so eine detaillierte Landkarte der Dehnungen und Stauchungen erstellen.

Für die Zukunft erhoffen sich die Wissenschafter, dass die neue Messmethode dabei helfen könnte, Materialeigenschaften gezielt lokal anzupassen. "Man könnte dadurch zum Beispiel in Solarzellen durch maßgeschneiderte Materialverbiegungen dafür sorgen, dass die freien Ladungsträger möglichst rasch in die richtige Richtung abtransportiert werden", so Müller. (APA, 7. 2. 2018)