Die erfolgreichen Verhandler vor der Presse.

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Leicht wird es den Deutschen nicht gemacht, sich mit dieser neuen großen Koalition anzufreunden. Die Verhandlungen waren geprägt von Unlust und von Signalen, die da lauteten: Wir müssen halt. Aber wir wollen eigentlich nicht.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hätte ihre vierte Amtszeit gerne mit einem Experiment gekrönt. Jamaika – also ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen – wäre spannend gewesen, es hätte nach Aufbruch gerochen. Aber es hat nicht geklappt.

Noch viel weniger Lust auf Groko hat SPD-Chef Martin Schulz. Er wäre lieber in Opposition, man hat ihn fast hintragen müssen zu diesen Verhandlungen. Der Widerwille war ihm in den vergangenen Wochen oft anzusehen. Und die Schlussrunde dieser Koalitionsgespräche, die sich dahin- und dahinzog, strapazierte die Nerven aller noch einmal gewaltig.

Aber jetzt ist es geschafft, die Ergebnisse liegen vor, und man kann sie von zwei Seiten aus betrachten. Einerseits: Es fehlen die großen Würfe, etwa eine umfassende Rentenreform oder eine Steuerreform, die das komplizierte System vereinfachen würde. Das Klimaziel wurde auch aufgegeben.

Keine Lust auf Zukunft

Vieles bleibt im Klein-Klein, man vermisst die Lust auf Zukunft. Andererseits: Auch das Klein-Klein summiert sich, es soll mehr Geld für Familien geben, für Schulen, für Universitäten, für den Infrastrukturausbau, für die Pflege. Das ist nicht nichts – wenngleich man bei der hervorragenden konjunkturellen Lage und den sprudelnden Steuereinnahmen ja dergleichen auch erwarten kann. Es hat schon Regierungen gegeben, die unter härteren finanziellen Bedingungen starten mussten.

Man mag sich noch nicht recht vorstellen, wie diese Koalition funktionieren soll – mit einer SPD an Bord, bei der es ums Überleben geht, die sich verzweifelt gegen das weitere Absacken stemmt. Immerhin hat sie bei der Verteilung der Ministerien gut abgeräumt: Außenamt, Finanzministerium und Ressort für Arbeit und Soziales, da kann man sich auch als 20,5-Prozent-Partei profilieren und Pflöcke einschlagen.

Das Gleiche gilt auch für den neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU). Doch dieses Bündnis hat eine Chance verdient, schlicht auch aus dem Grund, weil es ohnehin nichts Besseres gibt. Es ist die einzige Konstellation, die Alternative wären Neuwahlen, und diese will keiner.

Geschwächt aus den Verhandlungen

Ob es die SPD auch so sieht, muss sich jetzt noch im Mitgliederentscheid zeigen. Zur positiven Beeinflussung des selbigen ist Schulz zu einem großen Schritt bereit, der aber nicht wirklich überrascht. Er geht ins Kabinett und gibt den SPD-Vorsitz auf und an Fraktionschefin Andrea Nahles ab.

Das ist nicht die schlechteste Idee. Nahles war es, die am Parteitag eine flammende Rede gehalten hat, um die Genossen vom Koalitionsvertrag zu überzeugen. Schulz dagegen, der im vergangenen Jahr so viel durchgemacht hat und so tief gefallen ist, wirkte daneben blass und müde.

Wenn es so kommt, wird es für Merkel nicht einfach. Sie hat der SPD viel geben müssen, um wenigstens diese Koalition zustande zu bringen, sie geht geschwächt aus den Verhandlungen.

Und sie wird es in ihrer vierten und letzten Amtsperiode mit zwei sozialdemokratischen Machtzentren – eines in der Regierung, eines in der Partei – zu tun bekommen. Doch ganz so weit ist es ja noch nicht. Jetzt sprechen erst einmal die Genossen. Die Zeit des Wartens ist noch nicht vorbei. (Birgit Baumann, 7.2.2018)