Wien – Es läuft nicht schlecht für die Boatwrights. Greg (Tim Robbins) ist ein angesehener Philosophieprofessor an der Uni. Seine Frau Audrey (Holly Hunter) ist Anwältin, sie wohnen in einem aufgeräumten Haus am Stadtrand. Wenn sie mit Bediensteten sprechen, sagen sie stets höflich Bitte und Danke.

Kinder konnten sie keine bekommen, weshalb sie welche adoptierten – ethnisch korrekt, versteht sich: Ramon kam aus Kolumbien, Ashley aus Liberia, Duc aus Vietnam. Dann kam noch Kristen, ein eigenes Kind, mit 17 die Jüngste.

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Ein Leben ohne Ecken und Kanten, politisch-korrekt, moralisch – und langweilig. Kein Wunder, dass sich so viel Oberfläche nicht nur schlecht hält, sondern sich vor allem selbst ständig prüfen muss. Und darum geht es in Here and Now, der neuen Serie von Alan Ball (Six Feet Under, True Blood), ab Sonntagnacht auf mobilen Diensten von Sky und ab 28. März im TV auf Sky Atlantic HD.

Frei nach dem Motto "Wer sind sie, und wenn ja, wie viele?" nähert sich Ball der Frage, was Menschen ausmacht, wenn es nur noch darum geht, das Richtige zu tun. Im Zeitalter der Political Correctness sind die Bewegungsmöglichkeiten zunehmend eingeschränkt. Als etwa Ashley mit einem Arbeitskollegen ihren Bruder Duc trifft, ist der sofort alarmiert: Was das soll, fragt Duc, wo doch Mann und Kind auf sie zu Hause warten. "Was soll das?", fragt sich auch Greg, der 60 ist, ein Verhältnis hat und an den eigenen moralischen Ansprüchen zu zerbrechen droht.

Die Dysfunktionen liegen tief vergraben, aber sie drängen nach außen: Zum Beispiel bei Ramon, der plötzlich Halluzinationen hat und auf Displays stets dieselbe Uhrzeit aufleuchten sieht: 11.11 Uhr. Faschingsbeginn? Eher nicht, sondern der Auftrag zu einer Mission gegen Gleichklang, Langeweile und Enge.

"Alles, was ich sehe, ist Ignoranz", sagt Greg. Und die Gäste senken die Köpfe schuldbewusst. Bei Ramon brennen die Ziffern, wer Visionen hat, braucht auch hier keinen Arzt.

Daniel Zovatto (rechts unten), Holly Hunter, Jerrika Hinton, Tim Robbins, Sosie Bacon, Raymond Lee: "Here and Now" auf Sky.
Foto: HBO/Sky

Einmal mehr kümmert sich Alan Ball um die Abgründe in den menschlichen Seelen. Greg ist depressiv, er fühlt sich zu alt fürs Fitnessstudio, sitzt in der Dusche und lässt das Leben an sich vorbei rinnen. "Bitte, sag nichts Deprimierendes", sagt die Gattin bei der Geburtstagsparty. Es wird ein Desaster.

So viel philosophischer Subtext strengt auf Dauer an, in den beiden Folgen, die der STANDARD vorab sah, wähnte man sich manchmal versetzt in die Schule, Gegenstand "Angewandte Philosophie", Kurs "Sinn, Existenz, Identität, Wahrheit, Schuld und Endlichkeit", in dem die Figuren wie im Laborexperiment Situationen ausgesetzt werden und Grundsätzliches besprechen müssen.

"This is Us" und "Grace und Frankie" schauen

Wem der Sinn nach weniger Bedeutungssäure steht, greift zu This Is Us, wo die Dramen des Lebens weitaus weniger unverschwurbelt verhandelt werden. Und wer darüber hinaus noch lachen will, schaut sowieso Grace and Frankie. Die Regeln der Gesellschaft? Manchmal sind sie nur dazu da, um die Freude zu zerstören. Hier und Jetzt. (Doris Priesching, 11.2.2018)