In Wyoming wiegt jeder Satz doppelt schwer: Jeremy Renner und Gil Birmingham haben in "Wind River" etwas zu besprechen.

Foto: Thimfilm

Wien – Die dicken Schneedecken im winterlichen Wyoming erscheinen aus der Distanz betrachtet behaglich. Doch wer genau hinschaut, entdeckt Spuren eines harten Überlebenskampfes. Zum Beispiel die Abdrücke einer Berglöwin, die für ihren Nachwuchs Rinder reißt. Jeremy Renner spielt den wortkargen Jäger Cory, der den Auftrag erhält, sie zu erlegen, dabei jedoch ein anderes übel zugerichtetes Opfer entdeckt. Eine junge Native American liegt tot im Schnee, barfuß und kilometerweit von jeder Zivilisation entfernt.

Die Schwermut, die von Anfang an über Taylor Sheridans Regiedebüt Wind River liegt, erinnert an drückende Trauerstudien wie Atom Egoyans The Sweet Hereafter. Die Bewohner dieses Landstrichs, weite Teile davon sind autonom verwaltetes Indianerreservat, sind an Schicksalsschläge gewöhnt, die jüngere Generation verliert sich in Alkohol und Drogen. Auch Cory hat eine Tragödie verändert: Seine Tochter wurde ermordet, weshalb er das jüngste Verbrechen auch als persönliche Angelegenheit betrachtet.

"Wind River" – Trailer
The Weinstein Company

Wie bereits in seinen Vorlagen zu den herausragenden Thrillern Sicario und Hell and High Water zeichnet Sheridan auch in Wind River eine soziale Landschaft. Vor allem die Männer agieren weitergegebene Verhaltensweisen gerne gewaltsam aus. Und so wie sich Emily Blunt in Sicario in der Bekämpfung der Drogenkriminalität behaupten muss, ergeht es nun der unerfahrenen FBI-Agentin Jane (Elizabeth Olsen), die nach Wyoming kommt, um die Todesursache des Opfers festzustellen. Die Bundespolizistin lernt schnell, dass sie sich hier nicht nur warm anziehen, sondern auch den Abzug drücken muss.

Gravitätische Vorwärtsbewegung

Sheridan hat für sein Skript in Reservaten von Native Americans recherchiert. Am Ende des Films verraten Inserts, dass es für vermisste Frauen unter den Ureinwohnern keine Statistiken gibt. Trotz solcher Einsichten wählt Sheridan einen eher konventionellen Thrillerplot, der sich gravitätisch vorwärtsbewegt und in dem der erfahrene Spurenleser Cory die Ermittlung vorantreibt. Eine der besten Ideen des Films ist es, von dem Durcheinander zu erzählen, das durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Gesetzeshüter (Graham Greene als örtlicher Polizeichef) entsteht. Gegen Ende erweist sich Sheridan als Freund der exaltierten Eskalation im Stile Sam Peckinpahs, mitsamt eines "mexican stand-off", bei dem sich die Parteien schwer bewaffnet gegenüberstehen.

Das Mythologische des Genres hat schon davor gegenüber realistischen Tönen überhandgenommen. Wenn Cory mit dem Vater der Ermordeten spricht (mit wenigen, einprägsamen Zügen von Gil Birmingham verkörpert), dann wiegen die Sätze beider Männer schwer. Sheridan will davon erzählen, dass der Unterschied zwischen Rache und Gerechtigkeit beträchtlich ist, doch er vertraut dabei auf allzu gängige Akkorde. Jeremy Renner sieht man zwar gerne dabei zu, wenn er sich – wie schon in Kathryn Bigelows The Hurt Locker – ganz seiner Profession anverwandelt.

Als Inbegriff des weißen, im Schnee nahezu unsichtbaren Retters eines geknechteten Volkes bleibt er aber auch eine zutiefst sentimentale Figur. (Dominik Kamalzadeh, 8.2.2018)