Auf den Tag genau 20 Jahre nach der Ermordung des französischen Präfekten Claude Erignac weihte Präsident Emmanuel Macron in Ajaccio am Dienstag einen Platz ein, der den Namen des Spitzenbeamten trägt.

Foto: APA / AFP / Kamil Zihnioglu

Auf den Tag genau 20 Jahre nach der Ermordung des französischen Präfekten Claude Erignac weihte Präsident Emmanuel Macron in Ajaccio am Dienstag einen Platz ein, der den Namen des Spitzenbeamten trägt.

Wenn der Präsident aus dem fernen Paris nach Korsika kommt, erscheint er den 330.000 Inselbewohnern fast wie ein ausländischer Staatschef – ja fast wie ein Besucher vom Mars. Früher explodierten im Vorfeld solch hoher Visiten gerne ein paar Bomben – der korsische Willkommensgruß für Politiker vom Festland.

Charismatischer Separatist

Doch vor ein paar Jahren haben die FLNC-Terroristen die Waffen niedergelegt. Dafür belegen die "Nationalisten", wie sich die Autonomisten nennen, seit Dezember erstmals die Mehrheit der 63 Sitze im Inselparlament. Ihr energiesprühender Anführer Gilles Simeoni und sein radikalerer Partner Jean-Guy Talamoni, Vorsteher des Inselparlamentes, leiten daraus neue und eher radikale Ansprüche ab.

  • So wollen sie das Korsische auf der Insel zur zweiten Amtssprache neben Französisch machen.
  • Die Einheimischen sollen durch ein Wohnsitzstatut gegenüber den Ferienhausbesitzern geschützt werden.
  • Außerdem sollen die politischen Gefangenen – wie der Hirte Yvan Colonna – nicht mehr in französischen Haftanstalten einsitzen müssen, sondern in korsischen Gefängnisse Heimatluft atmen und Familienangehörige treffen können.

Macron hat diesen Forderungen am Mittwoch in einer langen Rede in Bastia eine klare Absage erteilt: Das Korsische gehöre gefördert, doch die französische Sprache, der Kitt der Nation, erlaube keine zweite Amtssprache neben sich. Der Staatspräsident meinte ferner, ein Wohnsitzstatut würde die in Frankreich sakrosankte Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz verletzen. Und eine Hafterleichterung für Colonna, den bekanntesten Häftling Korsikas, kommt für ihn ebenfalls nicht infrage.

"Korsische Eigenheiten"

Macron war am Dienstag nach Korsika gereist, um des Mordes an Präfekt Claude Erignac vor genau zwanzig Jahren zu gedenken. Der Todesschütze an jenem 6. Februar 1998 war eben Yvan Colonna gewesen. Macron hatte den Besuchstermin bewusst auf diesen Gedenktag gelegt. Damit brachte er Colonnas offene oder verdeckte Sympathisanten zum Schweigen.

Um die Autonomisten nicht völlig zu brüskieren, kündigte Macron an, er wolle die "korsische Eigenheit" in der französischen Verfassung festschreiben und damit anerkennen. Die symbolische Maßnahme soll schon im Frühling bei einer ohnehin geplanten Verfassungsnovellierung umgesetzt werden. Ihre konkrete Tragweite dürfte sehr begrenzt bleiben.

Die Separatisten ballen indes die Faust im Hosensack. Simeoni, der Colonnas Anwalt gewesen war, und Talamoni boykottierten ein "republikanisches Essen" mit Macron am Mittwoch ostentativ. Nach ihrem jüngsten Wahltriumph hatten sie aus Paris mehr Entgegenkommen erwartet. Natürlich sei Erignacs Ermordung durch nichts zu rechtfertigen, hört man in Ajaccio wie in Bastia. Die "Franzosen", wie sie dort abschätzig genannt werden, seien aber auch nicht ganz so sauber wie die blitzende Uniform des Inselpräfekten: Erignacs Nachfolger Bernard Bonnet kam 1999 selbst hinter Gitter, weil er seine Flics angehalten hatte, illegale Strandhütten nächtens in Brand zu stecken.

"Potenziell explosiv"

Die Situation sei "potenziell explosiv", erklärt Simeoni. Er und Talamoni hatten Macron angeboten, zehn Jahre lang auf jede Unabhängigkeitsforderung zu verzichten. Im Gegenzug wollen sie aber mehr politische Eigenständigkeit. Der Zentralstaat in Paris ist zwar generös, subventioniert er die unterentwickelte Inselwirtschaft doch mit 1,3 Milliarden Euro im Jahr – das macht über 4000 Euro pro Einwohner. Deshalb ist der Ruf nach wirklicher Unabhängigkeit in Korsika auch bedeutend schwächer als etwa in nicht allzu fernen Katalonien.

Das Gefühl des "Andersseins" ist auf Korsika umso stärker. Die so egalitäre französische Republik hatte dafür noch nie Gehör, und auch Macron übergeht schlicht den Umstand, dass die korsischen Autonomisten auf ihrer "Ile de beauté" (Insel der Schönheit) erstmals überhaupt das Sagen haben.

Wenn er die Forderungen abgesehen von kosmetischen Zugeständnissen ablehnt, dann nicht zuletzt, um ein "katalonisches Szenario" zu verhindern. Dafür könnte bald wieder ein korsisches Szenario drohen – nämlich dann, wenn sich das hitzige Temperament der Insulaner wieder in Gewaltakten Luft macht. (Stefan Brändle aus Paris, 7.2.2018)