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Proteste in Madrid für Rapper Pablo Hasél. Auf dem Plakat steht unter anderem: "Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie."

Foto: AP / Paul White

Es steht schlecht um die Meinungsfreiheit in Spanien. Polizei und Justiz verfolgen gezielt die Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Daniel Cristián Serrano ist das letzte Opfer dieser Überwachung. Der 24-Jährige aus dem südspanischen Jaén wurde wegen "Verletzung religiöser Gefühle" zu 480 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hatte auf Instagram eine Fotomontage gepostet. Das Bild zeigt die Christusstatue, die in der Osterwoche bei einer Prozession durch seine Heimatstadt getragen wird. Serrano hatte das Gesicht des Jesus durch sein eigenes ersetzt – Nasen-Piercing inklusive.

"Eine schändliche Manipulation" ist dies für die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen aufnahm, nachdem die Bruderschaft, die die Prozession veranstaltet, Anzeige erstattet hatte. Mit dem Bußgeld kam Serrano noch glimpflich davon. Denn wäre es nach der Staatsanwaltschaft gegangen, hätte er 2160 Euro Strafe zahlen oder wahlweise 180 Tage absitzen müssen.

Polizeiaktionen "Spinne"

Andere trifft es härter. In den vergangenen vier Jahren wurden bei mehreren großangelegten Polizeiaktionen mit dem Namen "Araña" (Spinne) insgesamt 76 Menschen wegen ihrer Aktivitäten auf Twitter festgenommen – unter ihnen Musiker, Künstler, Journalisten und selbst Anwälte. Allen wird "Verherrlichung des Terrorismus" und "Demütigung der Opfer" vorgeworfen.

Dabei reicht es, der letzten fünf unter der Franco-Diktatur hingerichteten Häftlinge zu gedenken, Witze über den designierten Nachfolger des Diktators Francisco Franco, Luis Carrero Blanco, zu machen, der 1973 von der baskischen ETA ermordet wurde, die bewaffneten Aktionen eben jener ETA und der marxistischen Grapo gegen die Franco-Diktatur als "antifaschistischen Widerstand" zu bezeichnen oder Exmitglieder dieser Organisationen zu interviewen und das Ergebnis zu veröffentlichen.

Keine Chance auf Bewährung

Das Rap-Trio La Insurgencia wurde zu zwei Jahren und einem Tag Haft verurteilt, weil sie die Grapo als Antifaschisten bezeichneten. Genau ein Tag zu viel, als dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Der Rapper Pablo Hasél steht derzeit vor Gericht. Neben Verherrlichung des Terrorismus wird ihm "Verunglimpfung der Autoritäten" vorgeworfen. Er bezeichnete auf Twitter die Polizei als "Mörder" und "Söldner", beschuldigte die paramilitärische Guardia Civil der Folter – wie das auch Menschenrechtsorganisationen immer wieder getan haben – und wirft ihnen vor, auf Immigranten zu schießen – was vor vier Jahren tatsächlich geschehen ist.

Außerdem kritisierte Hasél in einem seiner Songs die Monarchie. Er spricht von Korruption, "einer mafiösen, mittelalterlichen Institution" und beklagt, dass das Königshaus "Millionen bekommt, während kein Geld für die Grundbedürfnisse der Menschen da ist". Hasél drohen bis zu vier Jahre und neun Monate Haft.

"Knebelgesetz"

Grundlage für all diese Verfahren sind das Antiterrorgesetz sowie das Gesetz zur Sicherheit der Bürger, das in Spanien "Knebelgesetz" genannt wird. Beide sind ein Werk der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy.

"Unser Staat untersagt die Meinungsfreiheit bis zu dem Punkt, dass es sieben Straftatbestände gibt, die die Meinung unterdrücken", beschwert sich Anwältin Isabel Elba, die einen der betroffenen Musiker verteidigte. "Dabei geht es um die Verherrlichung eines Terrorismus, den es nicht mehr gibt", beschwert sich Esteban Beltrán, der Sprecher von Amnesty International in Spanien. Im Jahr 2011, als die ETA für immer die Waffen niederlegte, wurden fünf Beschuldigte wegen Verherrlichung des Terrorismus verurteilt. 2017 waren es 23 und 2016 gar 38. (Reiner Wandler aus Madrid, 9.2.2018)