Ein Sternchen für Deutschland: In der EU sind die maßgeblichen Player zufrieden mit dem Zustandekommen der Groko in Berlin.

Foto: APA/AFP/dpa/OLI SCARFF

So umstritten die Groko in der innerdeutschen Debatte sein mag – aus Sicht der EU-Partner ist die Koalition der großen Volksparteien CDU/CSU und SPD ein Segen. Die Europäische Union steht im Jahr vor den EU-Wahlen Ende Mai 2019 vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten.

Von der Fülle und der Tiefe der zu lösenden Probleme her ist die Situation derzeit nur vergleichbar mit der Finanz- und Eurozonenkrise ab 2008; oder mit den strategisch bedeutenden Beschlüssen zum Start der Währungsunion und gleichzeitig der großen EU-Erweiterung 1997 – nicht ganz so umwälzend wie die "Neuordnung" Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 und der deutschen Wiedervereinigung 1990.

Aber: 2018 und 2019 steht der Abschluss der Brexit-Verhandlungen an. Mit Großbritannien wird im März 2019 erstmals ein Mitglied die Union verlassen. Die EU verliert damit fast ein Fünftel des EU-Budgets und 65 Millionen EU-Bürger. Auch steht der formelle Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Raum. Für 26. März haben der Ständige EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einem Sondergipfel nach Varna in Bulgarien geladen.

Geld- und Sicherheitspolitik

Es muss im Großen besprochen werden, wie man in einer erweiterten Zollunion weiterkommen könnte. Ähnliches gilt für Großbritannien. Und die sicherheitspolitische Dimension wird für die EU immer wichtiger; in der Türkei, in Syrien, im Nahen Osten generell, in Nordafrika. Und es geht auch um die Beziehungen zu den USA, einige Freihandelsabkommen stehen an.

Kein Wunder also, dass die Regierungsbildung in Deutschland in der EU mit großer Erleichterung aufgenommen wurde. Tusk und Juncker reisten Donnerstag umgehend nach Berlin zu Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel und dem designierten Außenminister Martin Schulz (SPD).

Die Zeit drängt. Neben einem umfangreichen EU-Gesetzespaket zu Migration, neuem Grenzregime durch Schengenreform, Asyl- und Flüchtlingsfragen muss auch der dazugehörige mittelfristige EU-Finanzrahmen 2020 bis 2027 geklärt werden. Ein verlässlicher, stabiler, noch dazu EU- und integrationsfreundlicher Partner in Berlin ist für all das unerlässlich.

Nicht ohne Paris

Ohne Deutschland und seine Finanzkraft geht in der EU nichts, auch nicht ohne die enge deutsch-französische Partnerschaft. Präsident Emmanuel Macron machte bereits im September einen ambitionierten Vorschlag, wie man die EU durch Ausbau der Eurozone deutlich vertiefen könnte (siehe unten). Merkel unterstützte das, bremst aber bei allem, was nach Transferunion riecht.

Da könnte das Eintreten von Schulz, dem früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments, ins Kabinett einen neuen Akzent setzen. Er unterstützt Macron voll. Nicht zuletzt dank der SPD will die Groko auch sechs bis zehn Milliarden Euro zusätzlich in Europa, im EU-Budget, investieren.

Das ist neu und richtet sich auch gegen die zuletzt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im STANDARD angekündigte Linie, dass im EU-Budget vor allem gespart werden müsse.

Beim letzten EU-Budgetrahmen 2013 waren es vor allem Merkel und der Brite David Cameron, die Kürzungen durchsetzten. Wenn alles gutgeht, werden die Kanzlerin und der Franzose Macron nun Ende März gemeinsam einen umfangreichen Plan zur erneuerten Union vorlegen, auch zur Sicherheit. Verhandlungen dazu fallen in Österreichs EU-Vorsitz ab Juli. (Thomas Mayer aus Brüssel, 9.2.2018)