Ein Schüler des Gymnasiums in der Anton-Baumgartner-Straße in Wien schreibt einen Ethiktest.

Foto: standard/Regine Hendrich

"Ethikunterricht ist wichtig! Die Kinder müssen ja irgendwo ein anständiges Benehmen erlernen!" Die Spannweite dessen, was vom Ethikunterricht erwartet wird, ist riesig! Nahezu jeder Begriff wird irgendwie mit Ethik in Zusammenhang gebracht. Doch Ethik ist weder positiv noch negativ, denn sie ist die wertfreie "Lehre von den immateriellen Werten". Diese bezeichnen jene erkennbaren Haltungen, durch die uns Menschen abseits des Materiellen und des Angreifbaren als wert(!)voll, als positiv erscheinen. Immaterielle, also ethische Werte sind nicht absolut, sondern kulturkreisabhängig relativ. So ist etwa Pünktlichkeit in Europa ein positiver, weil Wert(!)schätzung signalisierender Wert, in anderen Weltgegenden gilt Pünktlichkeit dagegen als Fehlverhalten, da man sie als ein Zeichen schweren Misstrauens wert(!)et! Doch auch innerhalb unseres Kulturraumes gibt es höchst unterschiedliche Werthaltungen, wie etwa die von Eltern gegenüber ihren Kindern vertretenen Haltungsmaximen: "Tu stets das, was Dir den meisten Vorteil bringt", oder "Mache das, was einer möglichst großen Zahl von Menschen nützt!".

Religiöser Glaubensunterricht hat in so gut wie allen Konfessionen zwei Ziele – das Verinnerlichen der jeweiligen Glaubensinhalte, also das Anerkennen von nicht Beweisbarem als Tatsache (Stichwort Glaubenswahrheiten), sowie ein Leben gemäß den Regeln der Religion. Die Ethik, also die immateriellen Werte von Religion, sind somit keine "absoluten" Werte, denn sie stehen im Dienste der Ziele der jeweiligen Religion. Dies ist problematisch, da nicht wenige Religionen sich als die beste, oft als die einzig richtige betrachten, was mit Abwertung, oft gar mit der Bedrohung Andersgläubiger einhergeht. Diese Religionen pflegen somit innerhalb ihres Wertekatalogs die Nicht-Wertschätzung Andersgläubiger und kultivieren so eine Haltung, die den fundamentalen Menschenrechten, der Würde des einzelnen und damit einer demokratischen Staatsordnung widerspricht.

Ethikunterricht für alle

Ethik und Glaubensunterricht eignen sich daher nicht als wahlweise Alternativen. Alle Schüler müssen Unterricht in Ethik erhalten – und ganz besonders jene, die den konfessionellen Glaubensunterricht besuchen. Ethik informiert über unterschiedliche Werthaltungen in unterschiedlichen Kulturkreisen und in verschiedenen historischen Epochen und fördert so das Wissen über und das Verständnis für Haltungen und Handlungsweisen. Dieser Unterricht wird selbstredend auch die Werte zumindest der wichtigsten Weltreligionen referieren und dadurch sachlich über diese informieren. So kann Ethik einen bedeutenden Beitrag zum wechselweisen Verstehen und zu einer den gesellschaftlichen Frieden sichernden "beidseitigen Integration" leisten.

Und das "anständige Verhalten der Kinder", das sich viele Eltern als Leistung der Schule erwarten? Das ist "Angewandte Ethik". Diese benötigt kein Lehrbuch, keine Tests, keine Schularbeiten, kein Pisa, kein Smartphone. Das konsequente positive Vorbild aller Lehrer und Eltern ist mehr als ausreichend! (Ernst Smole, 8.2.2018)