Die Angst vor steigenden Zinsen und erhöhter Inflation ist an den Börsen zurück. Nach dem Kursrutsch auf dem US-Parkett ist am Freitag auch die japanische Börse tief ins Minus gefallen.

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Wien – Es hatte schon so ausgesehen, als ob die Kurskorrektur an den Börsen überstanden wäre. Ruhe war wieder eingekehrt. Viele Indizes waren wieder auf Erholungskurs. Doch am Donnerstag rutschte der US-Index Dow Jones erneut kräftig ab und schloss um 4,2 Prozent schwächer.

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Es ist die Angst vor steigenden Zinsen, die auf den Märkten lastet. Am Donnerstag hatte US-Notenbanker William Dudley gesagt, bei einer anhaltend guten Konjunktur befürworte er einen weiteren Zinsschritt im März – schließlich wachse die Wirtschaft kräftig, und es gebe eine lockere Geldpolitik, sagte der Chef der Federal Reserve von New York in einem Interview auf Bloomberg TV. Zusätzlich werde die Wirtschaft noch durch die Steuerreform angekurbelt.

Die Fed hatte für dieses Jahr drei Zinsschritte signalisiert. Dudley sagte am Donnerstag, er könne sich auch vorstellen, dass es mehrere Zinsanhebungen geben könnte, "wenn sich die Wirtschaft im Laufe des Jahres stärker präsentiere". Die Leitzinsen in den USA liegen derzeit in einer Spanne von 1,25 bis 1,5 Prozent.

Unsicherheit bei Anlegern steigt

Die Befürchtungen, dass die Zinsen wegen der steigenden Inflation stärker anziehen könnten, treiben Anleger nun also wieder aus dem Markt. Angesichts der Turbulenzen in den vergangenen Tagen haben Währungshüter rund um den Globus eine Politik der ruhigen Hand angekündigt. Zudem werden die Zinsen in Minischritten angehoben.

Angekurbelt wurde die Zinsangst auch von Ben Broadbent, Vizechef der Bank of England. Er sagte, dass mehrere Zinsanhebungen in Großbritannien innerhalb eines Jahres nach seiner Einschätzung keine größeren Verwerfungen auslösen würden. "Ich glaube nicht, dass das ein großer Schock wäre, sollten die Zinsen binnen eines Jahres mehrere Male um 25 Basispunkte steigen", sagte Broadbent in einem Radiointerview der BBC. Bisher habe die Bank of England jedoch keinen Fahrplan für etwaige Zinsschritte festgelegt, sagte er.

Ausgehend von der Korrektur in den USA haben auch die Börsen in Asien schwächer geschlossen. Der Nikkei-225-Index schloss 2,32 Prozent schwächer. Insgesamt gab der japanische Leitindex auf die Woche gesehen mehr als fünf Prozent ab. "Die Angst vor steigenden Zinsen hält die Börsen im Würgegriff", kommentierte Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners die erneute Korrektur.

Goldilock-Szenario geht zu Ende

Das wirtschaftliche Umfeld seit der Finanzkrise bis 2017 beschreiben Volkswirte als "Goldilocks", das gekennzeichnet ist durch kräftiges Wirtschaftswachstum und stark steigende Unternehmensgewinne, niedrige Inflation, niedrige Zinsen und tiefe Renditen, begleitet von unterstützenden und vorhersehbaren Geldpolitiken der wichtigsten Zentralbanken.

Zudem waren die Schwankungen an den Börsen außerordentlich niedrig – das gilt auch für die makroökonomischen Indikatoren. Das vorherrschende Investmentthema wurde mit "TINA" (There Is No Alternative zu Risk Assets) beschrieben, schreiben die Experten der Erste Asset Management in einem Blog. Der Grund dafür: Staatsanleihen haben nur geringe Renditen in Aussicht gestellt. Die starken Zuflüsse in risikobehaftete Anlageklassen führten in der Folge zu deutlichen Kursanstiegen. Mit den Kursanstiegen sind auch die Bewertungsniveaus stark angestiegen. Sprich: Das gute Umfeld wurde von den Börsen vorweggenommen. Dazu kommt, dass an den Aktienbörsen schon seit vielen Monaten keine Korrektur stattgefunden hat, was ungewöhnlich für diese Anlageklasse ist.

Normalisierung kehrt zurück

Die Frage nach der Korrektur war nicht ob eine kommt, sondern nur noch die Frage nach dem Wann. "Wir sehen jetzt den Übergang von einem Goldilock-Szenario zu einer Normalisierung", sagt Gerhard Winzer, Chefvolkswirt bei der Erste Asset Management. Weil das Wirtschaftswachstum kräftig geblieben ist und immer mehr selbsttragender wurde, nahm der zyklische Inflationsdruck zu. Als Reaktion darauf beginnen immer mehr Zentralbanken, die Leitzinsen anzuheben. Das wird von einem Anstieg der Renditen von Staatsanleihen begleitet. Rendite kann nun also wieder risikoloser verdient werden, was viele Anleger zu einer Umschichtung ihrer Assets veranlasst.

Dieser Regimewechsel ist der Auslöser für die angestiegene Volatilität. Obwohl die bisherigen Zinsschritte nur in kleine Dosen erfolgt sind, galten die aktuellen Veränderungen als zu schnell für die Aktienmärkte. Das hat die Verunsicherung der Marktteilnehmer erhöht "und führt jetzt zu der Korrektur an den Aktienbörsen", fasst Winzer zusammen.

Auf richtigen Zeitpunkt gewartet

"Die Aktienmärkte waren massiv überbewertet. Investoren haben nur nach einem Grund gesucht, um zu verkaufen", gibt Dan Alpert, Mitgründer der Investmentbank Westwood Capital, im "Handelsblatt" zu bedenken. "Sie haben erkannt, dass die Lage einfach zu unsicher war, um ewigen Optimismus zu rechtfertigen." (Reuters, bpf, 9.2.2018)