Ökostrom direkt vom Dach in die Wohnung – das spart Geld und Energie.

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Wie Strom-Sharing in Zukunft funktionieren könnte.

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Seit Begriffe wie Minen und Kryptocoins selbst technisch wenig Affinen nicht mehr ganz fremd sind, klingt sogar so etwas Abstraktes wie Blockchain reizvoll. Wenn der Hype dann innovative Stromgewinnung und -verteilung attraktiv macht, umso besser.

Im Viertel Zwei, direkt bei der Trabrennbahn im zweiten Wiener Bezirk, wurde kürzlich ein Pilotprojekt gestartet: Erstmals soll in einem Stadtteil eine Blockchain-Infrastruktur entstehen und sie mit den vorhandenen Energieanlagen verbinden. Wo unten im Trab Pferdestärken hervorgebracht werden, soll etwa oben auf dem Dach eine Photovoltaikanlage Strom erzeugen, der auf die Bewohner für den Eigenbedarf aufgeteilt oder zu einem angemessenen Preis weiterverkauft wird.

Möglich macht das die kleine Ökostromnovelle: Bisher konnte vor Ort erzeugter Ökostrom in Häusern mit mehreren Parteien nur für Gemeinschaftsflächen wie Stiegenhäuser verwendet werden. Was zu viel war, floss zu relativ schlechten Preisen ins Netz. Im Rahmen des Urban-Pioneers-Community-Projekts arbeiten Bewohner aus rund 250 im Herbst bezogenen Wohnungen nun mit Wien Energie zusammen.

Strom-Sharing

Konkret geht es derzeit um die Gebäude Rondo und Studio Zwei. Die Technik für den Forschungsprozess liefert das österreichische Unternehmen Riddle & Code. Das Ziel: In dem Projekt mit drei- bis fünfjähriger Laufzeit sollen die Bewohner in den Bereichen Energie, Mobilität und Smart Living erproben, welche Technologien und Innovationen in ihrem Alltag Sinn machen. Die Ideen dafür entwickeln sie in regelmäßig stattfindenden Workshops. Was später tatsächlich an Innovationen für den Markt übernommen wird, hängt nicht zuletzt auch von ihrem Feedback ab. "Nur ein Stromtarif war gestern, künftig soll er sich nach den Bedürfnissen der Bewohner richten", so Michael Strebl, Geschäftsführer der Wien Energie. Untersucht wird etwa, wie neue Stromtarifmodelle mithilfe der Blockchain-Technologie und auf Basis von Smart Meter auf Kundenseite funktionieren.

Die Blockchain sei ideal, um Strom-Sharing zu betreiben, Strom also beispielsweise an die Nachbarn weiterzuhandeln. Der Vorteil: Zwischenhändler fallen weg, Transaktionen werden direkt durchgeführt. Für Strebl ist klar, dass man um die Blockchain im Energiesektor in den nächsten Jahren nicht herumkommen wird.

Maschinen mit Identität

Weiter gedacht könnte es einmal möglich sein, dass sich die Waschmaschine oder die E-Ladestation für Autos den Strom von dort holt, wo er gerade am günstigsten ist – sei es vom Dach des Nachbarn, vom günstigsten heimischen Versorger oder vom Großhandel aus Deutschland.

"Das heißt, die Maschine hat eine klare eigene Identität und kann selbstständig Transaktionen durchführen", erklärt Alexander Koppel, CEO von Riddle & Code. Das Ganze funktioniert auf Basis eines hochsicheren verschlüsselten Systems, unter Wahrung von Privatsphäre und Datenschutz.

"Über eine Schnittstelle, etwa eine App, können Bewohner die Kommunikation der Geräte in ihrer Wohnung orchestrieren", erklärt Paul Rigger, Projektleiter in der Produktentwicklung von Wien Energie, die Rolle des Menschen dabei. In einem ersten Schritt wird nun die Energie-Infrastruktur im Viertel mit spezieller Hardware Blockchain-fähig gemacht. Zuerst sind die Zähler an der Reihe, damit können die Bewohner ihren Verbrauch auf die Blockchain schreiben.

Pool auf dem Dach

Und wie finden das die Betroffenen selbst? Vereinzelt ist Strom schon ein Thema, vor allem die Tatsache, dass er von Berufstätigen hauptsächlich am Abend benötigt wird, die Rolle von Blockchain als Lösungsansatz dafür eher weniger. "Für mich als Bewohnerin eines kleinen Mikroapartments ist das nicht so wichtig, weil mein Verbrauch so gering ist", sagt eine der Teilnehmerinnen, sie sorgt sich eher um angemessene Preise bei den Parkplätzen.

Beim ersten Workshop, der sich eigentlich mit dem Thema Mobilität in dem Stadtentwicklungsgebiet beschäftigte, stand eindeutig das Zwischenmenschliche und die Nutzung von Gemeinschaftsflächen im Vordergrund: Sporttreffs, ein gemeinsamer Grillplatz, ein Werkzeugverleih oder Urban Gardening waren den Menschen wichtiger. Wenn es dann aber um einen Pool auf dem Dach geht, könnte man doch eine Photovoltaikanlage zur Beschattung nehmen. Und dann schaut die Sache schon wieder ganz anders aus. (Marietta Adenberger, 11.2.2018)