Wien/Göttingen – Die sexuelle Fortpflanzung hat zweifellos ihre Vorteile, sie ist allerdings auch ziemlich kompliziert und ressourcenraubend. Daher ist es bis heute nicht gänzlich geklärt, warum sich die meisten höheren Lebewesen auf diese Art vermehren. Eine Forschergruppe mit österreichischer Beteiligung hat nun eine neue These dazu vorgestellt: Sex könnte demnach ursprünglich eine Maßnahme gegen Erbgut-Schäden gewesen sein.

Worin sich der evolutionäre Siegeszug dieses komplexen und damit auch fehleranfälligen biologischen Vorganges tatsächlich begründet, ist eine oftmals diskutierte Forschungsfrage. Die aus Österreich stammende Biologin Elvira Hörandl von der Universität Göttingen und ihr Kollege Dave Speijer von der Universität Amsterdam setzten in ihrer Untersuchung vor rund zwei Milliarden an. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt entstanden erste Lebewesen mit Zellkern (Eukaryonten).

Waffe gegen Sauerstoffradikale

Damals – so vermuten Wissenschafter – vereinigten sich zwei unterschiedliche Einzeller. Aus einem wurde das Mitochondrium, das seitdem in der Zelle für die Energiezufuhr verantwortlich zeichnet. Das tut es, indem es die Sauerstoffatmung in die zelluläre Wohngemeinschaft einbringt. Damit konnten die beiden in Symbiose vereinigten Einzeller zwar auf deutlich mehr Energie zurückgreifen, die Sauerstoffradikale, die dadurch in die Zelle gelangten, waren allerdings eine Gefahrenquelle, da sie das Erbgut schädigen können.

Gerade in Stresssituationen reichten dann die ursprünglichen Strategien zum Schutz der DNA oft nicht mehr aus, so die im Fachblatt "Proceedings of the Royal Society B" geäußerte Theorie von Hörandl und Speijer. Daher entstand schon in den ersten Eukaryonten die Meiose (Reduktions- und Rekombinationsteilung), bei der das Erbgut zweier Zellen und Zellkerne durchgemischt wird, als effizienter DNA-Reparaturmechanismus. "Sex ist also eine physiologische Notwendigkeit, als Folge eines sauerstoffbasierten Stoffwechsels bei allen höheren Organismen", sagte Hörandl.

In komplexen Organismen nahm Sex dann seine Rolle als genetischer Erneuerungsprozess ein, mit dem auch Mutationen gezielt eliminieren werden können. Ihre Hypothese sieht Hörandl durch "zahlreiche genomische, karyologische und biochemische Untersuchungen der vergangenen Jahre unterstützt". (APA, red, 9.2.2018)