Klaus Zeyringer, "Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte von 1896 bis heute. Band 2: Winter". € 25,70 / 448 Seiten. S. Fischer, Frankfurt 2018

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"OIympia hat heute nichts mehr mit Pierre de Coubertin zu tun", sagt der Germanist Klaus Zeyringer. Kein schwerer Befund, wenn hehre Werte des Olympismus wie Leistung, Respekt und Freundschaft in der heutigen Zahlengesellschaft keine Zinsen abwerfen. Mit Zynismus lässt sich das "Wintermärchen" der Oympischen Spiele leicht erzählen. Das tut Zeyringer zwei Jahre nach Erscheinen seiner Kulturgeschichte der Sommerspiele auch. Aber nicht nur. Weil Zynismus auf die Dauer auch fad werden kann.

Natürlich wird der kurze Weg von einer guten Idee zur Bühne für Politik und Geschäftemacherei nachgezeichnet. Mit der Verherrlichung des Alpinismus kam der Wintersport Anfang des 20. Jahrhunderts in Gang, was folgte, war das Unvermeidbare: Zunächst kamen die Künstler, dann die Reichen und letztlich die Massen. Nach der Gentrifizierung der Berge also die Zerstörung durch den Skitourismus. Ab Mitte der 70er wurde der Wintersport zur Geldmaschine. Die US-TV-Rechte für die Spiele in Innsbruck 1976 kosteten zehn Millionen Dollar, 1988 waren es bereits 310 Millionen Dollar.

Skandale, Nepotismus, Größenwahn

Unter den fünf Ringen war aber neben Skandalen, Nepotismus und Größenwahn immer auch Platz für sportliche Leistungen. Die Welt des Schnees mit ihren (gefallenen) Helden wie Toni Sailer oder Rosi Mittermaier, ihren strahlenden Siegern wie Kalevi Hämälainen, der 1960 in Squaw Valley Gold im Langlauf holte und 50 Kilometer lang in Einsamkeit auf der Loipe darauf wartete, überholt zu werden. Oder ihren tragischen Figuren wie "Eddy the Eagle", dem schlechtesten Skispringer aller Zeiten. Figuren und Geschichten, die Zeyringer mit vielen Anekdoten versieht.

Seine achte Goldmedaille in Nagano 1998 werde der norwegische Langläufer Björn Dählie "erst richtig verstehen als Großvater, wenn in den Statistiken immer noch mein Name auftaucht". Sein vierjähriger Sohn glaubte damals, Langlauf bestehe darin, dass der Vater gewinne und die anderen hinterherlaufen. Manchmal verliert sich Zeyringer in Details, manchmal verstellt ihm die Fülle der Assoziationen die Klarheit beim Formulieren.

Korruption und saubere Sieger

Die Freude am Sport ist im Zuge von olympischen Korruptionsskandalen leider zu einem Nebenschauplatz der Gefühle geworden. Dopingjagd und Gigantismus verstellen den Fokus, das betrifft auch die XXIII. Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, die mehr als acht Milliarden Euro kosten werden. Aber auch wenn es manch verbitterter Leser nach den dopingverseuchten Spielen von Sotschi 2014 nicht glauben möchte: Es gibt auch saubere Sieger.

Olympia ist immer noch ein Mythos. Ein Mythos, der durch körperliche Kraft und nicht durch Gewinnsummen und Datentransfers auf Klappcomputern begründet wurde. (Florian Vetter, Album, 13.2.2018)