Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Burgtheaters müssen Strukturveränderungen verlangen.

Foto: Robert Newald

Den offenen Brief der Burgtheater-MitarbeiterInnen im Standard (2.2.) habe ich nicht ohne Skepsis gelesen, aber ich begrüße es, dass über das Klima am Burgtheater offen gesprochen wird. Und ich hoffe auf echte Veränderungen in unserem Arbeitsfeld.

Ich war unter Matthias Hartmann Dramaturgieassistentin am Burgtheater und bei dessen "Tanzneger"-Aussage dabei. In meiner Assistenzzeit habe ich erfahren müssen, dass man über bestimmte Vorfälle nicht spricht. Theaterarbeit ist ein besonders sensibles Arbeitsfeld. Damals wie heute wundert mich, wie selten wertschätzender Umgang, Konfliktlösung und Gesundheit am Arbeitsplatz thematisiert werden. "Am Theater ist das einfach anders", heißt es hartnäckig.

Strukturelles Problem

Obwohl der offene Brief strukturelle Probleme und eigenes Verschulden erwähnt, liegt der Grundton in der Anklage, Matthias Hartmann sei ein schlechter Chef gewesen. Dessen Reaktionen tragen dazu bei, nun mehr über eine Einzelperson zu sprechen als über nötige strukturelle Veränderungen.

Es ist wichtig, dass die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner klare Worte gegen sexistische, rassistische, homophobe und andere Arten von Diskriminierung finden. Doch zwei Dinge bleiben offen: Wie sieht es mit dem Bewusstsein des eigenen Handlungsvermögens aus? Und welche Maßnahmen wird es geben?

"Der Chef, die Chefin trägt, anders als angestellte KünstlerInnen oder RegisseurInnen, die Verantwortung für den gesamten Betrieb und für alle MitarbeiterInnen." So steht es im Brief. Doch die Verantwortung für ein soziales System kann nie einer einzelnen Person zugeschoben werden. Wünscht man sich einen humanen, autoritären Herrscher oder nimmt man die Eigenverantwortung ernst?

Mehr Reflexion!

Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter trägt die Verantwortung, Respekt und Wertschätzung im Betriebsklima zu erhalten. Da wird es nicht genügen, die im Brief angeführten Strategien ("Rückzug auf die eigene Arbeit", "Passivität" oder "Wegducken") künftig zu unterlassen. Was fehlt, ist eine Reflexion des eigenen Handelns.

Rassismus, Sexismus und Homophobie sind derart in unsere Gesellschaft eingewoben, dass niemand vor blinden Flecken gefeit ist. Als junge Frau wurde ich während Probezeiten häufig auf meine sexuelle Orientierung angesprochen, angemacht, ungewollt sexualisiert und habe mich immer mit Worten gewehrt.

Doch wer sich am Theater gegen diskriminierendes Verhalten ausspricht, muss damit rechnen, von Kollegen als "prüde", "unflexibel" oder "humorlos" bezeichnet zu werden. Wenn der Brief zu echter Veränderung führen soll, müssen seine Wünsche zu klaren Forderungen und strukturellen Maßnahmen führen. Derzeit ist noch unklar, ob die Theaterbranche einen sicheren Raum wird bieten können, in dem herabwürdigendes Verhalten erfolgreich kritisiert werden kann.

Gibt es jetzt tatsächlich ein verändertes Machtbewusstsein? Geht die Macht am Theater jetzt nicht mehr – wie Ex-Burgchef Nikolaus Bachler andeutet – von autoritären Intendantinnen und Intendanten, sondern vom "Theatervolk" aus?

Die Konsequenz des Briefes könnte lauten: mehr Mitsprache für alle. Ein Kreis aus Kolleginnen und Kollegen in unterschiedlichen Team-Roles anstelle der Hierarchiepyramide. Dazu müssten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Burgtheaters im Anschluss an ihren Brief Strukturveränderungen verlangen, die ein Klima der Wertschätzung und des Respekts garantieren.

Sie müssten über Mobbing sprechen und Stressfaktoren analysieren. Eventuell müsste der Betriebsrat gestärkt und Kettenverträge beendet werden. Ist man für diese kulturpolitische Revolution bereit?

Norm, nicht Ausnahme

Dazu muss verstanden werden, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter an einer Produktion, einem Haus, einer Company für die Arbeitskultur im Team verantwortlich ist. Die Konsequenz des Briefes könnte sein: der wertschätzende Umgang am Theater als Norm und nicht als Ausnahme. (Clara Gallistl, 9.2.2018)