Gerösteter Kaffee hat seine Unschuld verloren. Der Muntermacher enthält die Substanz Acrylamid – das sorgt für hitzige Diskussionen und endet demnächst vor Gericht.

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Eigentlich schien die Sache ziemlich klar: Im Juni 2016 kam die Internationale Krebsforschungsagentur IARC nach der Auswertung einschlägiger Studien zu dem Ergebnis, dass keine Belege für ein erhöhtes Krebsrisiko durch den Genuss von Kaffee existieren. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass das Heißgetränk die Wahrscheinlichkeit, an Leber- und Gebärmutterkrebs zu erkranken, reduziert, resümierten die Forscher. Ende 2017 legten britische Wissenschafter mit einer weiteren Studie nach. Wer täglich drei bis vier Tassen des "schwarzen Goldes" trinkt, fördert eher seine Gesundheit als er ihr schadet, hieß es in der Untersuchung, die im "British Medical Journal" veröffentlicht wurde.

In Kalifornien wird nun aber dennoch am Positivimage des beliebten Muntermachers gekratzt. In den nächsten Wochen soll dort die gerichtliche Entscheidung darüber fallen, ob beispielsweise in den Filialen von Starbucks oder 7 Eleven Warnhinweise zum kanzerogenen Potenzial von Kaffee angebracht werden müssen.

Die Vorgeschichte: Bereits im Jahr 2010 hatte die kalifornische Nonprofitorganisation CERT eine Klage beim Obersten Gericht in Los Angeles gegen mehrere Einzelhändler und die Kaffeehauskette Starbucks eingereicht. Die Begründung für dieses Vorgehen: Die Firmen haben ihre Kunden nicht vor dem krebserregenden Acrylamid in Kaffeebohnen oder löslichem Kaffee gewarnt.

Krebserregende Wirkung nur im Tiermodell nachgewiesen

Seit dem Jahr 1990 befindet sich die Substanz auf der sogenannten "Proposition 65 List", in der jene Stoffe angeführt sind, die laut IARC zumindest im Tierversuch eine krebserregende Wirkung gezeigt haben. Das kalifornische Gesetz sieht vor, dass Unternehmen ihre Kunden auf dieses mögliche Gesundheitsrisiko hinweisen müssen, wenn sie Produkte verkaufen, die Substanzen aus dieser "schwarzen Liste" enthalten.

Erst 2002 gelang es schwedischen Forschern, Acrylamid in erhitzten Lebensmitteln nachzuweisen. Es entsteht beim Backen, Braten, Frittieren und Rösten. Die höchsten Werte wurden in Kartoffelchips, Lebkuchen und Pommes gemessen. Auch Kekse, Brot und gerösteter Kaffee enthalten den Stoff in geringen Mengen.

Einen verpflichtende Warnhinweis, wie er möglicherweise bald in Kalifornien kommen wird, hält Ibrahim Elmadfa, ehemaliger Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, dennoch für übertrieben: "Ein erwachsener Mensch nimmt über den Konsum von Kaffee im Schnitt nur etwa fünf Prozent der Gesamtbelastung an Acrylamid auf."

Weniger Hitze kann auch Angst abkühlen

Das Wissen über die Wirkung der Substanz beruht zudem ausschließlich auf Beobachtungen im Tiermodell. "Ratten und Mäusen wurden über zwei Jahre lang sehr hohe Dosen Acrylamid verabreicht. Diese Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen ist nicht zulässig", betont der Ernährungswissenschafter.

Wer auf Nummer sicher gehen will, dem empfiehlt der Experte den Kaffee in kleinen Röstereien zu kaufen. "Um die Effektivität zu steigern, erhitzen Großbetriebe die Bohnen zwei Minuten lang bei 480 Grad Celsius. Acrylamid entsteht bei Temperaturen ab 120 Grad. Kleine Betriebe können schonender rösten, bei etwa 200 Grad. Und je geringer die Temperatur, desto weniger Acrylamid." (Günther Brandstetter, 10.2.2018)