Sollen gute Schulnoten mit Banknoten abgegolten werden? Eine Frage, die viele Familien vor ein Dilemma stellt.

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In einem Internetforum zum Thema "Geld für Schulnoten" offenbart sich das ganze Dilemma der heutigen Leistungsgesellschaft. Ein deutscher Schüler kurz vor dem Abitur fragt in der Runde mal so rum: "Ich bin in der elften Klasse und habe mit meinen Eltern die Regelung getroffen, dass ich für meine Schulnoten Geld bekomme. Wie viel haltet ihr für angemessen? Meine Mutter zum Beispiel würde mir für die Note ‚Eins‘ in Leistungskursen bis zu 50 Euro geben." Und: "Es soll ja ein Anreiz für mich sein, da ich ehrlich gesagt eine faule Sau bin."

Noch in Schilling gerechnet hätte man sich früher mit der artigen Anliegen bei der Schachingermutter zwar nicht unbedingt eine Watsche geholt. Sie behauptet heute noch steif und fest, dass ihr Bub nie eine gefangen hat – obwohl da einmal definitiv eine unhübsche Sache mit einer Glastür, jugendlicher Aktion und einer definitiv nicht mehr als Affekthandlung durchgehenden Reaktion war.

Die Mutter aber hätte zumindest ein paar Tage lang mit einem nicht gesprochen. Liebesentzug kann schlimm sein, Kommunikationsentzug ist die Hölle. Seien wir uns ehrlich, elterliches Schweigen wird erst ab der Pubertät als erleichternd empfunden. Vorher ist das für Kinder eine schlimmere Form der schwarzen Pädagogik als die Aussicht auf eine erlösende Tachtel.

Schwarze Pädagogik

Wir schreiben übrigens die frühen 1970er-Jahre. Bruno Kreisky, der Rote aus Wien, der Hauptstadt vom Balkan, hatte gerade verboten, dass in den Schulen die Lehrer und Lehrerinnen die Kinder bei Verweigerung von Liebschauen oder der Nichteinhaltung des Einmaleins verhauen.

Die Blümchenerziehung sollte sich in den Wäldern des Innviertels aber noch jahrelang nicht durchsetzen, weil die Pferdepost mit der guten Nachricht aus dem Wiener Wasserkopf wegen eines gröberen Hochwassers oder Hangrutsches nicht und nicht über die Enns setzen konnte.

Und wenn sich schon die noch unter den braunen Sozis geschulten Fachpädagoginnen nicht damit anfreunden konnten, warum sollte man dann daheim als Ungelernter vorpreschen und die schwarze Pädagogik abschaffen?

Olympischer Gedanke

Wenn man es positiv betrachtet, gab es früher für schlechte schulische Leistungen also zwar keine Schläge. Daheim. Die Mutter musste der "Frau Lehrer" allerdings schon einmal den Zeigestab ersetzen, weil er auf den Unterarmen des Sohnes zerbrochen war, als der sie sich frech schützend vor das Gesicht gerissen hatte. Dafür aber gab es für gute Noten auch keine Belohnungen.

Für Würdigungen schulischer Leistungen (oder des olympischen Gedankens in Zusammenhang mit Mathematikschularbeiten) war ausschließlich die Oma zuständig. Es gab zwei Großmütter, aber von der anderen braucht man nicht extra etwas wissen, weil: böse. Kein Wunder, die Tante hat ihr immer am Monatsanfang die Rente weggetragen. Da würde jeder alt und verbittert werden.

Großmütter waren und sind in Familien unter anderem dafür zuständig, dass sie sich zwar gegenüber ihren eigenen Kindern mindestens menschlich enttäuschend verhalten. Man erfuhr davon in Erzählungen, die gewöhnlich mit dem Satz "Du hast es heute ja gut, ich allerdings ..." begannen. Dem Enkel aber wurde unter der geraunten Bedingung, es bloß nicht der Mama zu sagen, von der Oma nur Gutes getan. In der Mathematik sei das Durchkommen schließlich das Wichtigste. Die blöde Physik würde man im späteren Leben definitiv nie wieder brauchen – und ein Dreier in Betragen sei ganz grundsätzlich immer noch befriedigend. Eben.

Bonuszahlungen an Manager

Anerkennung, Liebe oder Schmiergeld? Während in der Erwachsenenwelt verdiente oder unverdiente Bonuszahlungen an Manager als Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit des Wirtschaftslebens angesehen werden, gilt im Arbeitsleben eines Schülers ein erzieherischer Grundkonsens. Selbstverständlich könne es nicht angehen, dass man für selbstverständlich zu erbringende schulische Leistungen im Sinne einer Eigenverantwortlichkeit auch noch extra Geld bekommt. Das Taschengeld (oder dessen Entzug) müsse reichen.

Das führt biografisch über diverse Umwege und mangelnde schulische und universitäre Leistungen, die wissenschaftlich gesehen früh darin gipfelten, einmal mit einem Nobelpreiskandidaten im Schulbus gerauft zu haben, zu eigenen Kindern und dem Bedürfnis, in der Erziehung alles besser zu machen. Für eine glückliche Kindheit ist es nie zu spät.

Heute erfolgt das Heranziehen der Kinder zu starken, selbstbewussten und selbstbestimmten Menschen zwar oft nicht mehr mit Drohungen wie "Komm du mir noch einmal mit einem Fleck heim, dann spielt es aber Granada!". Wobei man laut neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst mit bloßem verbalem Lob für Selbstverständlichkeiten vorsichtig sein muss. Immerhin ist es auch für ein Kind grundsätzlich angenehm, wenn es sich ab einem bestimmten Alter die Schuhe endlich selbst binden oder eine Wurzel ziehen kann.

Der elterliche Helikopter mit der schwarzen Pädagogik drin kreist aber trotz aller diskursiven Auseinandersetzungen auf Augenhöhe mit den Kindern bezüglich zuckerhaltiger Nahrung, des bösen Fernsehens und der kindlichen Synapsen, des Spielens mit dem Nintendo oder eines Alltagslebens, das man mit Instagramfotos vor dem eingeschränkten Sichtfeld verbringt, über allen Köpfen. Wollte man jemals aus dem eigenen Mund Sprüche hören wie: "Du willst doch später einmal nicht Regalschlichter im Billa werden?!" Hat man sie aus dem eigenen Mund gehört? Aber sicher doch!

Lehrer evaluieren

Jede Erziehung geht zwar grundsätzlich schief, weil niemand nicht einmal den eigenen Anforderungen genügen kann: Man muss Kinder aber dazu bringen, dass sie nicht nur gern lernen, was eigentlich jedes Kind gern tut. Man muss Kinder auch dazu bringen, dass sie gern in die Schule gehen. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass sich das oft als schwierig erweist.

Warum zum Beispiel können Kinder nicht einfach ihre Mathematiknachhilfelehrer als reguläre Lehrer haben, und das Ganze gratis? Warum werden zum Beispiel in Österreich Lehrer nicht ebenso wie die Schüler regelmäßig evaluiert – und warum werden sie bei nur minimaler pädagogischer Ausbildung auf die armen jungen Menschen losgelassen? Kann es angehen, dass bei Schularbeiten, egal in welchem Fach, immer wieder mehr als die Hälfte einer Klasse einen Fünfer ausfasst und dann ausschließlich die Kinder daran Schuld tragen, weil sie so dumm und unwillig sind?

Manager werden

Unwillig kommt nicht billig. Es wird der Tag kommen, an dem ein Kind freudestrahlend mit einem Zeugnis nach Hause kommt, auf dem es stolz seinen "guten Vierer" in Mathematik präsentiert und darauf hinweist, dass es am Ende des Schuljahres wahrscheinlich nicht durchfallen wird. Als Vater freut man sich dann und zückt erleichtert die Brieftasche. "Hier du liebes, teures Kind, habe ich etwas für dich. Aber sag es nicht deiner Mutter." Das Kind nickt geheimnistuerisch wissend und steckt die Scheine in seine Tasche zu den anderen, die es von der Großmutter bekommen hat. Davon aber weiß niemand außer der Oma.

Soll man also Geld für gute Noten geben? Die Antwort ist: Die Oma macht das. Aus dem Kind wird einmal ein Manager. Das ist fix. (Christian Schachinger, 10.2.2018)