Mit "David" auf der Suche nach dem Glück: Judith W. Taschler.

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Judith W. Taschler, "David". € 20 / 240 Seiten. Droemer Knaur, München, 2017

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Wien – Die erwachsene Magdalena kehrt zurück zu ihrem Heimathaus in Kirchberg, Tirol, das sie vor knapp dreißig Jahren als Waisenkind verlassen hat. Beim Entwurzeln der toten Bäume im Garten sieht sie sich plötzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Ein Ahornbaum scheint hier die Verbindung zwischen Personen zu sein, die sich dieselbe Frage stellen und Erfahrungen aus den verschiedensten Familienkonstellationen mitbringen. Ein fragiles Familienglück durch Adoption, ein Pflegeheim mit all seiner Bürokratie, eine Großfamilie, die von der Mutter verlassen wird, und andere Familiendramen machen den Flickenteppich von Einsamkeit und Entfremdung komplett. Für manche Figuren beginnt mit einschneidenden Lebensereignissen die Suche nach einem geeigneten Familienersatz.

Dabei steht die triste Gegenwart in Judith W. Taschlers Roman David häufig im Kontrast zu idyllisch-idealisierten Kindheitserinnerungen, so wie der Mangel an Verbundenheit im Hier und Jetzt im Gegensatz zu der Fülle an schönen Erlebnissen, die etwa Magdalena als Kind am Hof ihrer Großmutter Clara erleben durfte. Beinahe kitschig muten die scheinbar endlosen Sommertage in Omas Garten an, der Haflinger zum Geburtstag, Feen- und Prinzessinnenspiele und die selbstgezimmerten Seifenkisten und Flöße. In der Gegenwart ist "schmerzhaft glücklich" allerdings das höchste der Gefühle, auf das die Protagonisten hoffen dürfen.

Roter Faden: Heimat

Obschon zunehmend Verständnis für die Protagonisten gewonnen wird, bleibt ihre Charakterisierung flach. Da wäre zum einen die 40-jährige Magdalena, eine vermeintliche "Ökofuzzin", die beschließt, sich einen Hund zuzulegen, zum anderen – beinahe obligatorisch – ein paar klassisch-phlegmatische Teenager, inklusive Schulabbruch und Drogenmissbrauch. Letztendlich macht sich in David trotzdem ein roter Faden bemerkbar: die Erkenntnis, dass es scheinbar doch so etwas wie Heimat – wenn auch nur eine selbstgewählte, örtliche Zugehörigkeit – braucht, um glücklich sein zu können.

Kapitelweise wechselt Taschler die Perspektive auf die Charaktere und erzeugt dadurch interessante Anachronismen. In Verbindung mit dem zusätzlichen Wechsel von Zeitebenen führt das zwar mitunter an die Grenze der Verständlichkeit, erweist sich aber insgesamt vorteilhaft für den Spannungsbogen der Geschichte, die noch mit einem Geheimnis in den USA aufwartet.

Wesentliche Fragen

Der 1970 in Linz geborenen Judith Taschler gelingen einige sprachlich schöne Bilder. Darüber hinaus wurde Bert Hellingers Konzept der Familienaufstellung mehr oder weniger geschickt in die Handlung verwoben, indem sich das Adoptivkind Jan auf Anregung seiner Lehrerin hin näher mit den Traumata einer Adoption und deren generationsübergreifender Wirkung beschäftigt.

David ist Taschlers zweiter Roman bei Droemer (davor publizierte die Autorin bei Picus). Für den Krimi Die Deutschlehrerin erhielt sie 2014 den Friedrich-Glauser Preis. In David erprobt sie die bereits im Krimi verankerten Themen, wie Familiendrama, Herkunftsfragen und Fehlentscheidungen im Leben, in einem neuen Genre. Eher als über die Sprache und die Erzählung stellt David dabei allerdings über seine Themen die wesentlichen Fragen: Wie sehr sind Heimat und Glück noch an die leibliche Verwandtschaft gebunden? Und noch wichtiger: Gibt es den einen richtigen Ort, an dem man das persönliche Glück finden wird? (Hannah Mühlparzer, 11.2.2018)