Ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen bei der Befreiungsfeier im Jahr 2017.

Foto: APA / Andy Wenzel

Wien/Graz – Jener Artikel, in dem im Sommer 2015 in der rechtsextremen Monatszeitschrift Aula nach 1945 befreite Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen als "Landplage" und "Massenmörder", die plündernd durchs Land zogen, beleidigt wurden, zieht immer noch Rechtsstreitigkeiten nach sich. Jetzt wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte damit befasst.

Der grüne Politiker Harald Walser hatte deshalb das rechtsrechte Blatt angezeigt. Wie der STANDARD berichtete, sorgte zuerst vor allem die Grazer Staatsanwaltschaft mit ihrer Begründung, das Ermittlungsverfahren einzustellen, für Bestürzung – auch in weiten Kreisen der österreichischen Justiz. Man hatte die Einstellung nämlich damit begründet, dass es "nachvollziehbar" sei, dass die 1945 befreiten Häftlinge aus dem KZ Mauthausen eine "Belästigung" für die Bevölkerung darstellten. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter kündigte daraufhin sogar eine Bildungsoffensive mit Schulungen zum Grundlagenwissen der Justizgeschichte für Richteramtsanwärter an.

Etappensieg

Anfang 2017 waren dann allerdings neun KZ-Überlebende, unter ihnen auch der bekannte Zeitzeuge Rudolf Gelbard, der Theresienstadt überlebte, und die Tochter des 2007 verstorbenen Publizisten Leon Zelman mit einer weiteren – zivilrechtlichen – Klage erfolgreich. Die Aula musste die diffamierenden Passagen widerrufen.

In einem weiteren Verfahren, diesmal einem medienrechtlichen, entschied das Oberlandesgericht Graz allerdings gegen die Interessen der überlebenden KZ-Häftlinge. Diesmal hatte Walser – aus Fristgründen – nicht mehr wegen des ursprünglich erschienenen Artikels in der Aula geklagt, sondern wegen eines Nachfolgeartikels, in dem man das Verfahren kommentierte und schließlich die für breite Empörung sorgenden Passagen wiederholte. Das Gericht sah darin aber bloß eine wörtliche Wiedergabe der ursprünglichen Behauptungen und keinen "eigenen Bedeutungsgehalt". Für Walser ist das ein "ungeheuerliches Urteil", wie er dem Standard sagt. "Der Autor Fred Duswald und die Aula gehen also straffrei aus, weil sie ihre eigenen strafbaren Inhalte nur zitieren", fasst es Walser verärgert zusammen.

Dabei belassen will man es nicht. Nun unterstützen die Grünen eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Beschwerdeführer gegen die Republik Österreich ist der in Wien lebende 95-jährige Holocaustüberlebende Aba Lewit. Er ist alleiniger Beschwerdeführer, fühlt sich als solcher aber auch als Stellvertreter der ebenfalls betroffenen Gruppe von Überlebenden, die schon bei der erwähnten zivilrechtlichen Klage erfolgreich waren.

Beschwerde eines Befreiten

Lewit ist ein aus Polen stammender Jude, der 1940 bei einer SS-Razzia in der Nähe von Krakau abgeführt wurde, zuerst beim Bau des KZ Plaszov als Zwangsarbeiter eingesetzt und danach dort inhaftiert war. Im August 1943 wurde er gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder nach Mauthausen und später weiter in das Nebenlager in Gusen deportiert.

Der Mann, der heute in Wien lebt, hält in seiner Beschwerde fest, dass er nicht sofort nach der Befreiung in der Lage war, das KZ zu verlassen, und sich später einem Zug mehrerer Tausend Befreiter in Richtung Linz-Urfahr anschloss. Dieser wurde auf der gesamten Strecke von der US-Armee begleitet. Lewit betont in seiner schriftlichen Beschwerde, die dem Standard vorliegt, dass er in dieser Zeit keine Person unter den Ex-Häftlingen beobachten konnte, die strafrechtlich relevante Handlungen gesetzt hätte. In Linz wurden die Menschen schließlich mit Nahrung versorgt. Aba Lewit kam noch 1945 nach Wien. (Colette M. Schmidt, 11.2.2018)