Die Wahlkampfreportage in "Tirol Heute" sorgt weiter für Aufregung.

Foto: Screenshot / ORF TVThek

Wien – Die FPÖ Tirol und deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Markus Abwerzger, haben wegen des Berichts in der ORF-Sendung "Tirol heute" vom Freitagabend – wie angekündigt – Beschwerde gegen den ORF bei der KommAustria eingelegt. Die Beschwerdeführer beantragen in dem anwaltlichen Schreiben festzustellen, dass der ORF das Objektivitätsgebot verletzt habe. Die KommAustria bestätigte Montag am Nachmittag dem STANDARD, dass die Beschwerde bereits eingelangt sei.

FPÖ sieht zwei Vorgaben verletzt

Die Beschwerde von Abwerzger und der Tiroler FPÖ (die beide als Beschwerdeführer auftreten) sieht zwei Vorgaben des ORF-Gesetzes verletzt: Erstens das im Gesetz (Paragraf 4 Absatz 5 Ziffer 1) verankerte Gebot, bei der Gestaltung seiner Sendungen und Angebote für eine "objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen" zu sorgen.

Darüber hinaus orten die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Paragraf 10 Absatz 5 des ORF-Gesetzes. Demnach hat die Information "umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv" zu sein. "Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen", heißt es dort.

In Beitrag kein Widerspruch erkennbar

Der TV-Beitrag am Freitag zeigte Abwerzger bei einem Wahlkampftermin in Tirol. Die Aufnahmen bei einem Gespräch mit einem Bürger suggerierten, der FP-Spitzenkandidat habe widerspruchslos antisemitisches Gedankengut des Mannes zur Kenntnis genommen.

Modifizierte Version in "Tirol heute" am Samstag

ORF

Abwerzger bestritt das, und eine schließlich vom ORF am Samstag in der "ZiB um 13 Uhr" und am Abend in "Tirol heute" nachgereichte modifizierte Version bestätigt auch, dass Abwerzger dem Mann sehr wohl widersprochen hatte.

Bericht in der "ZiB um 13 Uhr" am Samstag

ORF

In der Beschwerde verweisen Abwerzger und die FPÖ Tirol darauf, dass die Reaktionen von Abwerzger wie auch jene des Tiroler FP-Klubobmanns Rudolf Federspiel auf die Aussagen des Mannes im TV-Beitrag herausgeschnitten wurden. "Die Zuseher erhielten daher den falschen Eindruck, dass der Beschwerdeführer Mag. Markus Abwerzger zu diesen Aussagen nichts erwidert und daher stillschweigend zugestimmt hätte", heißt es in dem Schreiben.

In einer Aussendung forderte Abwerzger am Montag eine "offizielle Entschuldigung" des ORF-Landesstudios: "Nach dem skandalösen Beitrag am Freitag hat die Chefredakteurin des ORF Tirol bis heute weder Einsicht gezeigt noch irgendeine Form der Entschuldigung gefunden. Auch die angebliche 'Klarstellung' am Samstagabend im ORF Tirol war zusätzlich missverständlich und manipulativ", kritisiert Abwerzger. Kurz zuvor hatte sich der Tiroler ORF-Landesdirektor Helmut Krieghofer bei Abwerzger "im Namen des ORF entschuldigt". Für den Tiroler FPÖ-Chef ist das aber zu wenig, das die Entschuldigung nicht öffentlich erfolgte.

"Aufschrei in vielen Medien des Landes"

In dem Brief an die KommAustria wird zudem betont, dass die Sendung zu einem "Aufschrei in vielen Medien des Landes" geführt habe. "(...) in den Sozialen Medien wurden die Beschwerdeführer ganz offen als Antisemiten, Rassisten und Wiederbetätiger im Sinne des VG (Verbotsgesetzes, Anm.) verunglimpft." Der "dadurch eingetretene Schaden" für Abwerzger und die Tiroler FPÖ – "insbesondere im Hinblick auf die kommende Landtagswahl" – sei "nicht abzusehen".

Abwerzger wie auch die Tiroler Landespartei sehen sich durch die Berichterstattung auch "unmittelbar geschädigt". Die "Manipulation" in dem Beitrag verwirkliche den Tatbestand der üblen Nachrede sowie die Tatbestände der Ehrenbeleidigung und der Kreditschädigung. Denn Abwerzger sei dadurch vorgeworfen worden, er habe auf die antisemitischen Aussagen nichts entgegnet und daher stillschweigend zugestimmt.

Zum Prozedere

Nach Einlangen der Beschwerde informiert die KommAustria den Beschwerdegegner, den ORF. Dieser bekommt die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Die KommAustria prüft dann, ob eine Rechtsverletzung gegeben ist, und kann gegebenenfalls dem ORF auftragen, die Entscheidung zu veröffentlichen – in welcher Form und in welchem Programm, legt die Behörde fest. Akzeptiert eine Partei die Entscheidung nicht, kann sie sich an das Bundesverwaltungsgericht wenden.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte in einem Statement zu der Beschwerde, seine Partei werde es sich "auch künftig nicht gefallen lassen, wie der ORF gegen die FPÖ agitiert. Dieser aktuelle Fall ist nur die Spitze des Eisbergs. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass das ORF-Gesetz verletzt wird, so wird das Attribut der Objektivität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk permanent ad absurdum geführt." ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz fordert vom Tiroler ORF-Landesdirektor Helmut Krieghofer, bis Dienstag einen Bericht zur Causa vorzulegen.

Bereits zweiter zwischen ORF Tirol und FPÖ

Das ORF-Landesstudio Tirol lieferte der FPÖ schon zum zweiten Mal binnen weniger Tage Angriffspunkte: Ein Team des Landesstudios fuhr vorige Woche zum Transitgipfel nach München und lieferte der Zeit im Bild den Beitrag zu. Mit dem Fokus eines ORF-Landesstudios: Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) stand im Mittelpunkt des Beitrags – und Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer wurde nicht erwähnt. ARD und ZDF indes fanden den Auftritt des FPÖ-Politikers in seinen ersten Wochen als Minister Beiträge und Befragung wert. Hofer nahm den ZiB-Beitrag ohne ihn zum Anlass, die Rundfunkgebühren infrage zu stellen – und mit ihm gleich die FPÖ von Vizekanzler und Parteichef Heinz-Christian Strache abwärts.

Das Landesstudio Tirol leitet der frühere ÖVP- und Uniqa-Manager Helmut Krieghofer. Er, wiewohl schon 66, will die Führung des ORF-Studios erst nach der Landtagswahl abgeben. Inzwischen wurde eine etwas weniger politiknahe Sprachregelung gefunden: Krieghofer will nun offiziell bis zur Straßenradweltmeisterschaft Ende September Landesdirektor bleiben.

Ermittlungen gegen den Passanten

Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen jenen Mann eingeleitet, der in dem umstrittenen ORF-Beitrag über den Tiroler FPÖ-Wahlkampf des Spitzenkandidaten Markus Abwerzger scheinbar antisemitisches Gedankengut von sich gab. Man ermittle wegen des Anfangsverdachts des Verbrechens nach dem NS-Verbotsgesetz, sagte ein Sprecher der APA und bestätigte einen Bericht des ORF Tirol.

Derzeit laufe das Verfahren gegen Unbekannt, weil man ja die Identität des Mannes noch nicht kenne, erklärte Sprecher Florian Oberhofer. Der ORF hatte die FPÖ im Olympischen Dorf in Innsbruck bei ihren Wahlkampfaktivitäten begleitet. (APA, red, 12.2.2018)