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Neue österreichische Außenpolitik: Vizekanzler Heinz Christian Strache und der serbische Außenminister Ivica Dačić am Montag in Belgrad.

Foto: AP/Darko Vojinovic

Wien/Belgrad – "Es handelte sich um ein Mail-Interview", erzählt Žarko Rakić, Chefredakteur der serbischen Tageszeitung "Politika" dem STANDARD über jenen Text, der derzeit für Wirbel in den Beziehungen zwischen Österreich und den Balkanstaaten, aber auch für Aufregung in der EU sorgt. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte gegenüber Politika am Wochenende gemeint: "Kosovo ist zweifellos ein Teil Serbiens. Die seinerzeitige Anerkennung durch Österreich haben wir heftig kritisiert, sie ist allerdings jetzt Tatsache und kann wohl nicht mehr geändert werden."

Es gebe keinen EU-Konsens zum Kosovo, das sei das große Problem, nicht ein Interview eines österreichischen Politikers, analysiert Christian Wehrschütz im ORF.
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Kurze Zeit später dementierte Straches Sprecher Martin Glier gegenüber der APA, dass Strache gesagt habe, dass der Kosovo Teil Serbiens sei. In der Zwischenzeit war nämlich ein gravierendes Problem offensichtlich geworden: Strache hatte mit seiner Aussage, die jahrelange außenpolitische Position Österreichs und der EU untergraben. Österreich hatte als einer der ersten EU-Staaten kurz nach der Unabhängigkeitserklärung 2008, genau vor zehn Jahren, den Balkanstaat anerkannt.

Konträre Aussagen

Dem STANDARD liegt das Originalinterview, das nicht nur per Mail, sondern auch auf Deutsch geführt wurde, vor. Missverständnisse oder Übersetzungsfehler sind demnach ausgeschlossen.

Ein paar Stunden nach Gliers Dementi gab es auch wieder eine Wendung in der Causa. Strache – der mittlerweile in Belgrad mit Präsident Aleksandar Vučić zusammengetroffen war– versuchte einen Spagat zwischen den konträren Aussagen zu machen. "Die österreichische Regierung hat die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt. Das ist eine Realität und Faktum", so Strache. Realität und Faktum sei aber auch, dass Serbien den Kosovo nach wie vor als Teil Serbiens auch im Sinne der UN-Resolution 1244 betrachte. Einmal argumentierte Strache demnach aus österreichischer, einmal aus serbischer Sicht. Strache nahm in dem Interview mit Politika – entgegen der bisherigen Haltung Österreichs – zudem eine parteiische Position zu ungeklärten Fragen zum Nordkosovo ein. Prishtina sei in dieser Frage "sehr rücksichtlos", meinte er.

Der kosovarische Vizepremier Enver Hoxhaj sagte am Montag zum STANDARD: "Ich bedaure sehr, dass ein Vizekanzler Österreichs vom serbischen innenpolitischen Diskurs missbraucht wird. Diese Stellungnahme überrascht uns umso mehr, als wir wissen, dass Österreich in den letzten 30 Jahren die erste Anlaufstelle für viele Angelegenheiten war – etwa in den 1990er-Jahren oder auch in der rage der Staatlichkeit des Kosovo. Eine solche Stellungnahme ist beispiellos für einen seriösen Staat wie Österreich."

Die Stellungnahme Straches trage auch "sicherlich nicht zur Versöhnung der Völker und der Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien, aber auch der Integration der Länder in die EU bei", zeigte sich Hoxhaj verwundert. Präsident Hashim Thaçi meinte am Montag, Straches Aussagen seien falsch interpretiert worden. Doch bevor er Vizekanzler wurde, sagte er sogar: "Der Kosovo ist das Herz Serbiens." Der serbische Außenminister Dačić bedankte sich am Montag demnach bei Strache dafür, dass er "seinen Standpunkt zum Kosovo nicht geändert" habe, seit er der Regierung angehört.

Der Politikwissenschafter Krenar Gashi aus Prishtina meint zu Straches Interview: "Solche Aussagen sind besonders für die Stabilität in der Region schädlich, zumal sie zu einer ganz besonderen Zeit stattfinden. Denn die österreichische EU-Ratspräsidentschaft steht bevor, bei der insgesamt erwartet wurde, dass sich die EU weiterhin auf den westlichen Balkan konzentriert. Österreich unterhielt sehr gute Beziehungen zu der Region und behielt eine stabilisierende Rolle bei. Dieses Interview stellt einen wesentlichen Wechsel dieser Rolle dar."

Rücktrittsforderung

Genau vor so einem Politikwechsel Österreichs fürchten sich viele auf dem Balkan. Bisher hatte Österreich wegen seiner ausgewogenen Haltung, seiner tiefen wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen einen ausgezeichneten Ruf in allen Staaten Südosteuropas. Der CSU-Politiker Bernd Posselt forderte am Montag sogar den Rücktritt Straches. "Solche Leute sind die Trojanischen Pferde Putins in der EU, denn Moskau versucht alles, um die Selbstständigkeit des Kosovo wieder zu Fall zu bringen." Strache und die FPÖ sorgen bereits seit Jahren für Irritationen auf dem Balkan – insbesondere im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina, weil sie parteiische Positionen von nationalistischen Politikern einer Volksgruppe vertreten.

Für große Irritationen sorgte in jüngster Zeit etwa, dass Strache vom Präsidenten des bosnischen Landesteils Republika Srpska, Milorad Dodik, einen Orden entgegennahm. Strache und andere FPÖ-Politiker besuchen regelmäßig die prorussischen, völkischen Nationalisten in der Republika Srpska. Dodik steht wegen seines Separatismus unter US-Sanktionen. Im September hatte Strache in einem Interview eine völkerrechtswidrige Abspaltung der Republika Srpska erwogen, was einer Zerstörung Bosnien-Herzegowinas gleichkäme.

Dort löste kürzlich zudem ein einseitiger Text der Schweizerin Saïda Keller-Messahli in einem Sammelband des Österreichischen Integrationsfonds über den Islam auf dem Balkan tiefe Sorgen aus. Der Text war gespickt mit Fehlern und Ressentiments und nährte die Angst, dass die gesamte Bundesregierung, nicht nur die FPÖ, einen Kurswechsel vollziehen könnte. Der Integrationsfonds ist ein Partner des Außenministeriums.

Der Wiener Politologe Vedran Džihić denkt, dass die österreichische Außenpolitik auf dem Balkan "bereits einen Schaden erlitten hat". "Die Skepsis gegenüber Österreich in der Region wächst." Dies sei auch für Diplomaten vor Ort nicht angenehm. Džihić vermisst eine Klarstellung von Kanzler Sebastian Kurz. "Schließlich liegen die außenpolitischen Kompetenzen nicht bei Strache, der aber offenbar eine separate Außenpolitik betreibt."

Parallele Außenpolitik

Kneissl-Sprecherin Elisabeth Hechenleitner sieht keine parallele Außenpolitik. "Als Vizekanzler steht es Strache genauso zu wie jedem anderen Minister, ins Ausland zu fahren. Solche Reisen muss niemand bei uns anmelden." Was die Strache-Reise nach Belgrad betreffe, sei Kneissl "komplett unaufgeregt". Immerhin wurde sie von der FPÖ nominiert und hat ihren Posten auch Strache zu verdanken. (Adelheid Wölfl, 12.2.2018)